Deutsch für Pflegekräfte. Kommunikationstraining für den Alltag

Deutsch für Pflegekräfte, Kommunikationstraining für den Alltag. Von Ulrike Schrimpf, Sabine Becherer und Andrea Ott. Springer Verlag 2011, 1. Auflage, mit Audio-CD 

 

Zielgruppe:  Dieses Lehrwerk richtet sich an nicht muttersprachliche Pflegekräfte, die innerhalb eines sich immer weiter internationalisierenden Arbeitsmarktes in der stationären Pflege in Deutschland arbeiten möchten oder bereits beschäftigt sind. Inhalt sind ist dem entsprechend neben einem allgemeinen Teil zum Berufsbild der Pflegekraft in Deutschland und dem deutschen Gesundheitssystem als ein Hauptschwerpunkt der Pflegeprozess, gegliedert in die Bereiche Pflegeanamnese, Pflegeplanung und Pflegebericht. Einen weiteren Schwerpunkt bilden verschiedene Kommunikationssituationen in der Pflege. Abgerundet wird das Lehrwerk durch Fallbeispiele zu möglichen Fehlerquellen innerhalb des Pflegeprozesses sowie durch weitere Informationen zum Pflegewesen in Deutschland, womit sich dieses Lehrwerk an mögliche TeilnehmerInnen von qualifizierungs- oder arbeitsplatzorientierten DaZ-Kursen richtet, die schon über eine entsprechende Ausbildung und inhaltliches Vorwissen verfügen und bildungsnah sind. 

 

Bereits im Vorwort des Lehrwerks wird der Schwerpunkt auf den für Medizin und Pflege so bedeutsamen Bereich Kommunikation gelegt, was dem Anteil des entsprechenden Kapitels am gesamten Buch entspricht. Neben einem Lösungsteil für die im Buch gestellten Aufgaben und einem Anhang, der im Wesentlichen aus einem Glossar der gebräuchlichsten Abkürzungen in der Pflegedokumentation besteht, versucht das Lehrwerk in sechs Kapiteln einen weiten inhaltlichen Rahmen abzudecken und beginnt in einem einführenden Kapitel mit der Beschreibung des Berufsbildes der Pflegekraft und des deutschen Gesundheitssystems. Anhand von Bildmaterial und unterschiedlichen Aussagen zum Beruf der Pflegekraft sollen die LernerInnen zur Reflexion und zur Sprachproduktion insbesondere in Vergleich mit den Verhältnissen in den Herkunftsländern angeregt werden. Theoretische Inhalte werden anhand von Fallbeispielen präsentiert, die ebenso als Audiomaterial auf der beigefügten Audio-CD zur Verfügung stehen. Weitere Schwerpunkte bilden das deutsche Sozialversicherungssystem, seine Finanzierung und die ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung, bevor zum Abschluss dieses Kapitels auf Pflegediagnosen und Pflegestufen eingegangen und mit statistischen Angaben abgeschlossen wird. 

 

Im zweiten Kapitel wird das relevante Grundvokabular vorgestellt, wobei hier nicht nur Vokabeln aus dem direkten pflegerischen Einsatzbereich wie z.B. Pflegematerialien aufgeführt werden. Vielmehr wird das System Pflege mit seinen Hierarchien, Funktionsbereichen und verschiedenen Berufsbildern vorgestellt und anhand von Organigrammen, erklärenden Texten und Vokabellisten präsentiert. Ebenfalls eingehend behandelt wird das anatomische Grundvokabular. Anhand detaillierter Illustrationen wird die allgemeine Anatomie mit ihren deutschen Bezeichnungen für die äußeren Organe und Extremitäten aufgeführt, während die spezielle Anatomie von Skelett und inneren Organen mit deutschen und lateinischen Bezeichnungen wiedergegeben wird. Als Übungsteil werden dieselben Illustrationen ohne Bezeichnungen angefügt, um dem Lerner die Möglichkeit zu geben, sein Wissen abzurufen und zu prüfen. 

 

 

Das dritte Kapitel zum Pflegeprozess behandelt mit der Pflegeanamnese, dem Anamnesegespräch, dem Ausfüllen des Pflegeanamnesebogens, der Pflegeplanung und dem Pflegebericht verschiedene Anlässe zur mündlichen und schriftlichen Sprachproduktion. Bedeutung, Inhalt und Struktur dieser Kernbereiche der Pflege werden anhand von Schemata und Mindmaps visualisiert und durch Beispielformulare illustriert. Sprachliche Unterstützung erhält der Lerner durch ein Glossar sowie durch Formulierungshilfen für das Pflegeanamnesegespräch. Ein authentisches Fallbeispiel, das ebenfalls als Audiodatei vorliegt, dient der Verinnerlichung der theoretischen Inhalte. Strukturierte Notizvorlagen helfen bei der Verständnissicherung des Präsentierten. Neben der relevanten Grammatik, nämlichen dem für die schriftliche Dokumentation wichtigen Konjunktiv 1, der anhand von Konjugationstabellen aufgearbeitet wird, spielt auch der sog. „Telegrammstil“ zur Abfassung von Pflegeberichten eine Rolle. Vergleichend werden ungeeignete und geeignete Formulierungen gegenüber gestellt und das Kriterium der Objektivität in der Pflegedokumentation herausgearbeitet. Besonders dieses Kapitel eignet sich hervorragend für die Konzeption weiterer Fallbeispiele, die dann in Szenarios verarbeitet werden, die diesem Schema angepasst sind. 

 

Im vierten Kapitel werden die relevanten Sprechanlässe und Kommunikationssituationen in der stationären Pflege behandelt; die Kommunikation mit dem Patienten, unterteilt in die pflegerische Versorgung, diagnostische Maßnahmen, Mahlzeitengabe und einen psychosozialen Bereich, in dem auf die sog. Schweren Gespräche eingegangen wird. Er beinhaltet einen gesonderten Teil zu Techniken zur Gesprächsführung wie z.B. Echoing, Paraphrasieren und dem aktiven Zuhören. Die Kommunikation mit den Kollegen, die sich unterteilt in „Smalltalk“ und Praxissprache für die Patientenübergabe, das Telefonieren im Krankenhaus mit Kollegen und Kolleginnen, Ärzten und Ärztinnen, ebenso aber auch mit Außenstehenden wie MitarbeiterInnen von Pflegeeinrichtungen und Verwandten und schließlich die Kommunikation in Notfallsituationen bilden den weiteren Rahmen an relevanten Kommunikationssituationen in der Arbeitswelt Krankenhaus. Wiederum bildet der Konjunktiv (Konjunktiv 2) den grammatischen Hintergrund als Modus des Irrealen und der Höflichkeit, so z.B. beim Einholen von Informationen, und wird anhand von Konjugationstabellen behandelt, die der Lerner ausfüllen soll. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einem Abschnitt zur Transkulturellen Kommunikation, das basierend auf dem Kommunikationsmodell von Schulz von Thun den theoretischen Hintergrund von Kommunikation erklärt und ihn, erweitert um den transkulturellen Aspekt, anhand von Fallbeispielen verdeutlicht. 

 

Im fünften Kapitel wird das Tabuthema Kommunikation als mögliche Fehlerquelle innerhalb der Pflege behandelt und durch Fallbeispiele illustriert. Ebenso werden Initiativen innerhalb des deutschen Gesundheitssystems vorgestellt, die zu einem produktiven Umgang mit Fehlern anregen und Arbeitsabläufe verbessern sollen. 

 

Das sechste Kapitel befasst sich mit dem Pflegewesen in Deutschland, seinen Verbänden und mit der Krankenpflegeausbildung in Deutschland. 

 

Fazit: Das Lehrwerk bietet einen weit gefassten inhaltlichen Rahmen, die behandelte Grammatik beschränkt sich hauptsächlich auf den Gebrauch des Konjunktivs 1 und 2. Somit sollten die LernerInnen bildungsnah sein und sprachliches Metawissen mitbringen. Die Zielgruppe sollte bei der Diskussion dieses Lehrwerks an dieser Stelle aber um den Kreis der Unterrichtenden erweitert werden. Die theoretische Dichte des Lehrwerks erfordert nicht nur fundiertes fachliches und sprachliches Wissen auf Seiten der LernerInnen, vielmehr sollte auch die Lehrperson über routinierte Kenntnis der Arbeitswelt verfügen, um theoretische Inhalte in einem authentischen Bezug herunterbrechen und methodisch aufbereitet präsentieren zu können, u.a. um sprachliche Heterogenität in Lernergruppen zu kompensieren, da zwar das Niveau B2 des GER für eine Beschäftigung im deutschen Gesundheitswesens vorausgesetzt wird, was jedoch oft nicht der Realität entspricht. Der weit gesteckte Rahmen und die Dichte des theoretischen Inputs machen das Lehrwerk zu einem ergiebigen Kompendium an sprachlichem und fachlichem Wissen, das LernerInnen die Besonderheiten einer ressourcenorientierten Pflege verdeutlichen und dabei als Training für die Kommunikation innerhalb der deutschen Pflegewelt dienen soll. Der Schwerpunkt liegt wie auch schon bei dem Lehrwerk „Deutsch für Ärztinnen und Ärzte“ des Springer Verlages auf der Vermittlung und dem Training kommunikativer Fähigkeiten, allerdings sei dahin gestellt, ob das Lehrwerk diesem Anspruch bei einem Einsatz in Sprachkursen mit nicht muttersprachlichen LernerInnen gerecht werden kann. Es bräuchte zumindest mehrere Fallbeispiele, um das Erlernte in der Unterrichtssituation einzuüben, zur Routine zu machen und so die sprachliche Brücke in die Arbeitswelt zu schlagen. 

 

Paul Cahoj
Hamburg, im April 2013