Deutsch für Pflegeberufe, Arbeitsbuch für MigrantInnen, von Ingrid Peikert, Urban & Fischer Verlag, München 2013, 2. Auflage.
Zielgruppe: Dieses Lehrwerk vereint thematisch die beiden großen Pflegebereiche der Altenpflege und der stationären Krankenhauspflege, des Weiteren greift es auch die Besonderheiten der ambulanten Pflege auf und orientiert sich betreffend der Zielgruppe am realen Bedarf des Arbeitsmarktes in Deutschland. Konsequent dem schon im Vorwort erwähnten didaktischen Ansatz des Content and Language Integrated Learning (CLIL) folgend bilden sprachliche und theoretische Anforderungen am Arbeitsplatz, Teamstrukturen und Berufsbiografien den inhaltlichen Rahmen, begleitet von einer elementaren Grammatik, die sich am GER orientiert und die Niveaustufen bis A2/B1 behandelt.
Somit ist es interessant für nicht muttersprachliche Pflegekräfte, die ihre sprachlichen Fähigkeiten verbessern wollen, sowie für Lerngruppen, die sich für eine Tätigkeit in der Pflege interessieren und innerhalb berufsfeldorientierter Schulungsmaßnahmen an der Verbesserung ihrer sprachlichen Fertigkeiten arbeiten. Es richtet sich ebenso an Lerner_innen, die sich den notwendigen theoretischen Hintergrund wie auch die entsprechenden kommunikativen Fähigkeiten samt den relevanten, elementaren grammatischen Inhalten im Selbststudium aneignen wollen.
Aufbau: Das Buch hat elf Kapitel, die ihrerseits einer festen Aufteilung folgen: auf die Vorstellung des inhaltlichen Hauptthemas („Berufsalltag Pflege“) folgt ein kommunikativer Teil („Im Gespräch“), in dem die notwendigen Redemittel zur Verfügung gestellt werden, ein Grammatikteil mit Übungen sowie jeweils ein gesonderter Teil, der orthografische Phänomene des Deutschen zum Thema hat und phonologische Besonderheiten aufgreift. Ein Lösungsteil zu den Übungen findet sich am Ende des Lehrwerks.
Im jeweils ersten Teil wird das Thema anhand von Textmaterial in Form von dialogisch konzipierten Interviews oder von aufsatzartigen Statements eingeführt, Vorwissen wird aktiviert und zur Verständnissicherung folgen Aufgaben, die das globale und das detailliertere Verstehen abfragen. Ebenso verhält es sich in dem folgenden Teil „Im Gespräch“; hier wird zudem authentisches Textmaterial in Form von Dokumentations- und Funktionsformularen präsentiert, wie es in Pflegeeinrichtungen Verwendung findet. Ein Schwerpunkt liegt hier bei relevanten Redemitteln, die durch die Aufgabenstellung identifiziert und den Lernenden so zur Verfügung gestellt werden. Im Teil „Grammatik“ werden grammatische Phänomene eingeführt und meist in Form von Ergänzungsübungen mit thematischem Bezug eingeübt, bevor mit weiteren Übungen zur Produktion von Schriftsprache auf der Satzebene fortgeschritten wird. Abgeschlossen wird jedes Kapitel mit dem Teil „Rechtschreibung“, in dem orthografische Phänomene des Deutschen eingeführt und mit Ergänzungs-, Zuordnungs- oder mit vergleichenden Schreibübungen eingeübt werden. Ebenfalls hier werden Besonderheiten der Phonologie behandelt und dem/der Lerner_in in vergleichenden Übungen nahegebracht.
Bereits in den beiden ersten Kapiteln wird deutlich, dass das Werk konsequent einen arbeits- und somit lebensweltlichen Ansatz verfolgt; die Hauptcharaktere des Werks, zwei nicht muttersprachliche Pflegekräfte in der stationären Krankenhauspflege und in einem Pflegeheim und ihre jeweiligen Mentoren sowie der Arbeitsplatz werden vorgestellt, dem entsprechend sind die behandelten Redemittel Begrüßungen und Fragen.
Besondere Erwähnung sollten die hier eingeführten Methoden finden wie z.B. ein Lernportfolio in Form eines Lerntagebuchs oder die Mind-Map in Kapitel 2, die nicht nur beim Textverständnis helfen sollen, sondern durch eine gesonderte Vorstellung auch zur Förderung der Lernerautonomie beitragen.
In den Kapiteln drei bis fünf geht es um Besonderheiten und Unterschiede in der Pflege zwischen Krankenhaus und Pflegeheim, um die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen und um Berufswege in der Altenpflege. Ebenso wird auf die Stellung innerhalb eines internationalen Teams eingegangen. Als Funktionsformular wird der Aufnahme- und Anamnesebogen eingeführt, der in didaktisierter Form als Aufgabenstellung vorliegt. Bei den Sprechanlässen spielt vor allem die Übergabe als zentrales Element des Pflegealltags eine Rolle. Es werden weiterhin Telefonate mit anderen Einrichtungen und die entsprechenden Redemittel behandelt.
In den Kapiteln 7, 8 und 9 stehen die Pflegemodelle im thematischen Mittelpunkt, die die Grundlage bilden für den Pflegeprozess. Dieser unterteilt sich in die Anamnese, die Erstellung von Pflegeplänen und die Dokumentation pflegerischer Tätigkeiten. Bei den Redemitteln tritt hier vor allem die Fachsprache in den Vordergrund. Bezeichnungen der Anatomie, der gängigsten Laborparameter, der Vitalwerte und anderer relevanter Wortfelder werden präsentiert und behandelt. Einen Schwerpunkt bildet hier auch die Dokumentation, sowohl die der Routine bei den Prophylaxen, als auch die Dokumentation besonderer Vorkommnisse, wie z.B. von Stürzen. Einen besonderen Stellenwert nimmt in diesem Teil des Buches die Biografiearbeit als methodisches Element der Altenpflege ein, die unterstützt wird von einer historischen Zusammenfassung des 20. Jahrhunderts in Tabellenform, die es der Pflegekraft erleichtern soll, Äußerungen Pflegebedürftiger einordnen zu können. Exemplarisch erwähnt behandelt die Grammatik in Bezug dazu vor allem das Perfekt und die gebräuchlichsten Nebensätze zur Darstellung von Zusammenhängen.
Der Unterschied zwischen stationärer und ambulanter Pflege und der Themenkomplex Demenz, der im gesamten Pflegebereich eine immer weiter zunehmende Rolle spielt, bilden in den beiden letzten Kapiteln den Schluss des Lehrwerks. Methoden im Umgang mit Demenzkranken wie die Validation werden eingeführt und mit den entsprechenden Redemitteln flankiert. Die behandelte Grammatik stellt angepasst an die thematischen Hintergründe der einzelnen Kapitel ein Substrat der grammatischen Inhalte dar, die man aus den gängigen DaZ-Lehrwerken der letzten Jahre kennt, und liefert so eine probate linguistische Begleitung des Spracherwerbs.
Fazit: Das Lehrwerk Deutsch für Pflegeberufe versucht in seiner Konzeption einen weiten Rahmen zu stecken und eine große Zielgruppe anzusprechen. Basierend auf dem Material des in 1. Auflage 2006 erschienenen "Deutsch für die Altenpflege" erweitert es die Zielgruppe um Lerner_innen, die sprachlich auch auf den Einsatz in der stationären Krankenhauspflege und in der ambulanten Pflege vorbereitet werden sollen oder schon tätig sind und Interesse an der Verbesserung ihrer vor allem produktiven sprachlichen Fertigkeiten haben.
Das Lehrwerk versucht durch eine elementare Grammatik und eine leicht verdauliche Präsentation dieser sowie durch geeignete Übungen und nicht zuletzt durch ein übersichtliches und klar strukturiertes Layout der Heterogenität von Lerngruppen hinsichtlich Sozialisierung und Bildungshintergrund und Bildungsnähe Rechnung zu tragen. In Einklang damit steht auch, dass das Verhältnis zwischen fachlich relevanten und grammatischen Inhalten ausgewogen ist, daher eignet sich das Lehrwerk ebenso für Lerner_innen im Selbststudium.
Die z.T. sehr abstrakten theoretischen Hintergründe von Pflege sind gekonnt heruntergebrochen und didaktisch und methodisch gut aufbereitet, sodass sie nicht nur für Lerner_innen leicht zu erfassen sind, sondern auch die Lehrenden leicht zu „Spezialisten“ auf dem Gebiet der Pflege machen. Im Gegensatz zu Lehrwerken, die gängige kommunikationstheoretische Modelle präsentieren und abhandeln und somit die Fähigkeit zum Umgang damit voraussetzen, finden sie in diesem Lehrwerk gut didaktisiert in Form von Übungen praktische Anwendung. Ebenso wird auf Stilistik in der gesprochenen Sprache eingegangen und ihre grammatische Entsprechung in vergleichenden Übungen dargestellt. Der Lernprozess wird als ganzheitlich begriffen, was nicht nur die eigene Kategorie der Rechtschreibung in jedem Kapitel verdeutlicht, sondern der ebenfalls dort angesiedelte starke Bezug zur Phonetik. Umfassend wird auf verschiedene Situationen, Sprechanlässe und die damit verbundenen Sprachregister wie Umgangssprache, Smalltalk, aber auch Fachsprache eingegangen.
Der interkulturelle Aspekt wird nicht explizit angesprochen oder theoretisch dargelegt, so wird z.B. beim Thema Ernährung lediglich darauf eingegangen, dass die Wahl verschiedener Kostformen mitunter religiös motiviert sein kann. Dafür jedoch zeugt z.B. die Thematisierung des Holocaust als fundamentalem Bestandteil der jüngeren deutschen Geschichte, des 2. Weltkriegs und seiner Folgen, oder des Rassismus, dem Pflegekräfte mit Migrationshintergrund heute zutage schnell begegnen können, von einer mutigen Realitätsnähe, von der Lerner_innen nur profitieren können. Ebenso realitätsnah ist das Lehrwerk darin, Ängste und Unsicherheiten aus Sicht von Pflegekräften zu thematisieren, die das Deutsche gerade erst lernen.
Bei aller Authentizität und moderner Methodik verwundert es geradezu, dass dieses Lehrwerk kein Audiomaterial zur Verfügung stellt, zeigt doch die Erfahrung, wie dankbar Lerner_innen der verschiedensten Herkunftssprachen für Audiobeispiele sind, die ihnen nicht nur beim Training von Hörverständnis und Aussprache, sondern auch als Quelle zur impliziten Aufnahme von Sprachwissen und zur Automatisierung erlernter Inhalte dienen. Jedoch ist es ebenso denkbar, dass der Pflegenotstand in Deutschland mittlerweile so enorm ist, dass bedingt durch den Bedarf an Pflegekräften ebenso der Bedarf an Lehrwerken wächst und zur schnellen Publikation praktikabler Konzepte drängt.
Paul Cahoj
Hamburg, im April 2013