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MiA: Verkürzte Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin für Migrant_innen

Kursprofil und Teilnehmer_innen

Im August 2011 begann im Projekt MiA die verkürzte Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpfleger_in im dritten Durchlauf. Das Projekt wird gefördert durch Mittel des Europäischen Sozialfonds (ESF) in Hamburg sowie durch Mittel der Agentur für Arbeit Hamburg und team.arbeit.hamburg und ist bei WEGE IN DEN BERUF, einem Betrieb der passage gGmbH, angeschlossen. Bei dem Projekt MiA handelt es sich um eine Ausbildungsvorbereitung und eine verkürzte Ausbildung für Migrant_innen, die in ihren Herkunftsländern bereits eine Ausbildung im Pflegebereich abgeschlossen haben. Diese wird in Deutschland in der Regel nicht vollständig anerkannt. 

MiA zeichnet sich dadurch aus, dass sprachliche und fachliche Qualifizierung miteinander verzahnt sind: Zum einen werden die Teilnehmer_innen handlungsorientiert auf den Berufsalltag vorbereitet und zum anderen wird der Fachunterricht durch Sprachunterricht flankiert. Des Weiteren findet die Qualifizierung in Teilzeit statt, wodurch vor allem Frauen mit Kindern und insbesondere Alleinerziehenden ermöglicht wird, diese zu absolvieren. Am Kurs nehmen durchschnittlich 25 Teilnehmer_innen im Alter zwischen 25 und 50 Jahren teil. Sie bringen teilweise mehrjährige Berufserfahrungen aus ihren Herkunftsländern mit. 

Die Maßnahme orientiert sich insofern am aktuellen Arbeitsmarktbedarf, als es in Deutschland seit Langem ein Defizit an Fachkräften im Pflegebereich gibt und diesem mit der Weiterqualifizierung von Arbeitskräften mit Berufserfahrung relativ schnell begegnet werden kann. Die Teilnehmer_innen wiederum erhalten mit einem anerkannten Abschluss Zugang zu einer qualifizierten Beschäftigung jenseits von lediglich niedrig bezahlten Hilfstätigkeiten.

 

Voraussetzungen für die Teilnahme

Interessent_innen, die an der verkürzten Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpfleger_in teilnehmen möchten, müssen folgende Voraussetzungen nachweisen:

              Eine abgeschlossene Ausbildung (Krankenpfleger_in, Hebamme) im    Herkunftsland

              Eine Prüfung der Diplome durch die zuständige Behörde

              Eine Arbeitserlaubnis

              Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2

              Ein mindestens zweiwöchiges Praktikum im Pflegebereich in Deutschland

 

Kompetenzerhebung und Sprachstandsfeststellung

Während die Kompetenzerhebung zu Beginn des Kurses in Form eines Einzelgesprächs stattfindet, wird eine Sprachstandsermittlung anfangs in Form eines Deutschtests und dann auch fortlaufend durchgeführt. Bei der laufenden Sprachstandsermittlung werden die sprachlichen Kompetenzen der Teilnehmer_innen vor allem durch Tests und die Auswertung der Portfolioarbeit ermittelt. Eine besondere Herausforderung im Rahmen der Ausbildung stellt nach den bisherigen Erfahrungen vor allem das Verstehen der komplexen (Fach)texte dar. Aus diesem Grund spielt die Vermittlung von Lesestrategien zum Fachtexte knacken durchgängig eine besonders wichtige Rolle. Durch gezieltes und wiederholtes Training wird auf eine selbstständige Texterschließung hingearbeitet, besonders bewährt hat sich, authentische Texte in anderen Formaten wiederzugeben. Das bedeutet, dass ein entsprechender Arbeitsauftrag beispielsweise beinhaltet, einen Fachtext über das Herz-Kreislauf-System in ein Mind-Map zu übersetzen. Ziel ist dabei, wichtige Informationen herauszufiltern. 

 

Phasen und inhaltliche Schwerpunkte

Die verkürzte Ausbildung setzt sich aus zwei Phasen zusammen:

              Einer 6-monatigen Vorbereitungsphase (überwiegend fachsprachlich)

              Und einer 22,5-monatigen Ausbildung (begleitet durch fachspez. Sprachunterricht)

mit dem staatlichem Examen als Abschluss

Die so genannte Vorbereitungsphase findet zum größeren Teil bei WEGE IN DEN BERUF statt, ergänzt durch Fachunterricht in einer Pflegeschule und ein Praktikum in einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung. In dieser Phase stellt der fachspezifische Sprachunterricht das Herzstück dar. Zunächst werden die Teilnehmer_innen auf mündliche und schriftliche Kommunikationsanforderungen in Ausbildung und Beruf vorbereitet: Wortschatzarbeit, insbesondere Memorierungstechniken und das Verfassen von berufsspezifischen Texten, wie etwa Pflegedokumentationen, nimmt hier einen ebenso wichtigen Raum ein wie das Trainieren von Gesprächssituationen im zukünftigen Arbeitsalltag. Rollenspiele, in denen die Kommunikation zwischen Patient_innen und Pfleger_innen oder Pfleger_innen und Ärzt_innen simuliert werden, werden hier gern eingesetzt. Die Vermittlung von Lerntechniken und die Reflexion des eigenen Lernverhaltens sind ebenso von hoher Relevanz: So wird hier etwa geübt, Mind-Maps zu erstellen, Tabellen zu verstehen, ein eigenes Lerntagebuch zu führen und sich realistische Lernziele zu setzen. Auch das Erlernen von Fachbegriffen und das Erstellen und Halten von Präsentationen vor der Gruppe gehört zu dieser Phase.

Ein praktischer Einsatz in der Vorbereitungsphase bietet dann die Gelegenheit für das Kennenlernen des Arbeitsortes durch die Migrant_innen und umgekehrt begegnen die Akteur_innen der Ausbildungsstätten zum ersten Mal den Teilnehmer_innen. Ergänzt wird das Praktikum von Studientagen, die den Kursteilnehmer_innen die Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch bieten. An diesen Studientagen wird ihnen auf verschiedenen Ebenen Raum zur Reflexion angeboten. In der Vorbereitungsphase wird auch Fachunterricht mit integriertem Sprachunterricht angeboten. Dies bedeutet, dass während dieser Unterrichtseinheiten eine Mitarbeiterin von WEGE IN DEN BERUF die Teilnehmer_innen beim Bearbeiten von sprachlich-kommunikativen Aufgaben unterstützt, was wiederum ermöglicht, ihren individuellen Bedürfnissen stärker entgegen-zukommen.

An die Vorbereitungsphase schließt sich eine verkürzte Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin an, die vornehmlich in der Pflegeschule und den angegliederten Einrichtungen stattfindet. Im Mittelpunkt der Ausbildung steht die Erlangung der für diesen Beruf erforderlichen Handlungskompetenz. Dafür wird vorhandenes Fachwissen wiederholt und erweitert und mit komplexen Pflegesituationen in Zusammenhang gebracht. Die Teilnehmer_innen werden auch in der Ausbildungsphase durch begleitenden Sprachunterricht und die kontinuierliche Möglichkeit zur Praxisevaluation unterstützt. Hier können sprachliche, fachliche und persönliche Fragen zu Ausbildungsinhalten und Arbeitsalltag bearbeitet werden. 

Abgerundet wird die Ausbildung schließlich durch eine Unterstützung der Teilnehmer_innen bei der Bewerbung, die bei WEGE IN DEN BERUF stattfindet: Dort werden gemeinsam Bewerbungs-unterlagen erstellt und die kommunikativen Anforderungen in Bewerbungsverfahren und bei Bewerbungsgesprächen thematisiert und trainiert. Während der Vorbereitungsphase und der Ausbildung findet eine sozialpädagogische Begleitung der Teilnehmer_innen statt, dabei werden diese nach Bedarf in persönlichen und die Ausbildung betreffenden Angelegenheiten unterstützt.

 

Lehrmaterial

Das Lehrmaterial setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen: So wird besonders in der Vorbereitungsphase für die Einführung in den Pflegebereich und für die Arbeit mit berufstypischen schriftlichen Texten (z. B. Pflegedokumentationen) und mündlichen Kommunikationssituationen (Gespräch zwischen Pfleger_innen und Patient_innen) „Deutsch für Gesundheits- und Pflegeberufe“ des Österreich Instituts und das Lehrwerk „Deutsch im Krankenhaus“ herangezogen. Ergänzt werden diese Materialien durch die Arbeit mit authentischen Texten und selbst erstellten Materialien. Somit ist das Lehr- und Lernmaterial in hohem Grad bedarfsgerecht, weil es auf die kommunikativen Anforderungen des zukünftigen Berufsalltags vorbereitet. 

 

Evaluation und Evaluationsergebnisse

Nach den einzelnen Abschnitten der Ausbildung findet eine Evaluation statt. Somit können Entwicklungen der Teilnehmer_innen beobachtet und bedarfsgerechte Förderangebote gemacht werden. Nach der Vorbereitungsphase schätzen sich die Teilnehmer_innen deutlich sicherer hinsichtlich ihrer kommunikativen Kompetenz ein, dies zeigt sich z. B. im souveränen Auftreten beim Sprechen und Präsentieren vor dem Kurs. Außerdem haben sie bereits einen Einblick in ihre spätere Berufspraxis erhalten. Die Evaluation der praktsichen Einsätze zielt auf Ziele, Inhalte und Begleitung  dieser Phasen ab. Dabei wird versucht, bei auftretenden Schwierigkeiten zeitnah Lösungen zu finden. Am Ende der Ausbildung und bei einem Nachtreffen werden die Inhalte, die Durchführung und die Erfolge besprochen und durch die Teilnehmer_innen bewertet.

 

Erfolgsgeschichten

Nach dem erfolgreichen Durchlaufen der verkürzten Ausbildung nehmen die Absolvent_innen eine Tätigkeit als examinierte Gesundheits- und Krankenpfleger_innen in einem Krankenhaus, einem Pflegeheim oder in der Ambulanten Pflege auf. Dabei können sie häufig aus mehreren Angeboten die für sie passende Stelle auswählen. Wiederholt werden Teilnehmer_innen in der Schlussphase der Ausbildung von ihren Stationen hinsichtlich einer Übernahme angesprochen. So wurde z.B. eine Absolventin in der Kardiologischen Abteilung eingestellt, in der sie ihre letzte Praxisphase und ihr Examen gemacht hatte. Sie kannte bereits die einzelnen Arbeitsbereiche, die Abläufe auf der Station und das Team, dies erleichterte ihr den Berufseinstieg. Schwierig dagegen war für sie in der ersten Zeit, Verantwortung als examinierte Pflegekraft zu übernehmen und professionelle Routine in ihrem Arbeitsalltag zu erlangen.

Teilnehmer_innen, die keinen Abschluss als Gesundheits- und Krankenpfleger_innen erreichen konnten, legten in mehreren Fällen eine Prüfung zur Gesundheits- und Pflegeassistent_in ab und nahmen eine Tätigkeit mit dieser Qualifikation auf.

 

Schwierigkeiten 

Die insgesamt recht anspruchsvolle Maßnahme konfrontiert die Teilnehmer_innen auch mit einigen Schwierigkeiten: So sind sie aufgrund der Verkürzung gezwungen, den üblicherweise in drei Jahren zu vermittelnden Lernstoff nun in knapp zwei Jahren zu erwerben, was zum einen sehr viel Disziplin und zum anderen auch einige Lernerfahrung und –affinität voraussetzt. Darüber hinaus stellt die Differenz zwischen der mitgebrachten Berufserfahrung und dem beruflichen Alltag von Pflegekräften in Deutschland sowie die damit einhergehenden Anforderungen in der Kommunikation mit Patient_innen und Ärzt_innen eine weitere Herausforderung dar. Pflegerische Tätigkeiten sind in den Herkunftsländern der TN nicht unbedingt Schwerpunkt der Arbeit einer Krankenschwester oder eines Krankenpflegers, was bedeutet, dass sie sich auf ein anderes Berufsbild einlassen müssen. So war z. B. eine Teilnehmerin in ihrem Herkunftsland mehrere Jahre im Rettungsdienst tätig, dabei gehörten Sofortmaßnahmen und lebenserhaltenden Maßnahmen zu ihrem Tätigkeitsschwerpunkt. Ihre neuen Verantwortungs- und Arbeitsbereiche lernte sie in der verkürzten Ausbildung kennen.

Susanne Gentner & Bettina Kleiner

Kontakt: Susanne Gentner bei Wege in den Beruf