Iris Beckmann-Schulz, Leiterin der IQ Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch, fasst die Entwicklung und zukünftigen Aufgaben des Handlungsfeldes der berufsbezogenen Sprachbildung zusammen:
Die Veränderungen in den Arbeitsstrukturen in den letzten 20 Jahren in nahezu allen Branchen haben die Anforderungen an die Sprachkompetenzen in der Zweitsprache Deutsch sowohl in der Aus- und Weiterbildung als auch auf dem Arbeitsmarkt erhöht. Berufliche Qualifizierung zielt heute nicht mehr nur auf die Verbesserung und Anpassung an fachliche Entwicklungen, sondern in einem hohen Maß auch auf einen Ausbau der kommunikativen Kompetenz am Arbeitsplatz. Gleichzeitig verbreitet sich gegenwärtig in der beruflichen Weiterbildung mehr und mehr die Erkenntnis, dass fachbezogene Qualifizierung in der Zweitsprache Deutsch sprachliche und fachliche Lernprozesse per se miteinander verschränkt und die methodische Umsetzung daher integriert stattfinden muss.
Die Anfänge der Diskussion und Entwicklungen in diesem Handlungsfeld waren dagegen bis in die 1990er-Jahre geprägt von einer „Ausländerpolitik“, die primär auf Konzepte zur temporären Integration und nicht auf zur dauerhaften Teilhabe an beruflicher Weiterbildung und Beschäftigung ausgerichtet war.
Geschah die Anwerbung und Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ursprünglich mit dem vorrangigen Ziel, Arbeitsplätze für Geringqualifizierte zu besetzen, bei denen allenfalls ein Weiterbildungsbedarf zum Thema Arbeitsschutz gesehen wurde, veränderte sich dies mit Beginn der 1990er-Jahre im Zuge der Veränderungen innerhalb der Gruppe der Zugewanderten (zweite Generation, nachziehende Familienangehörige, hohe Zahl an Asylsuchenden) sowie insbesondere vor dem Hintergrund des fortschreitenden technischen Wandels in der Arbeitswelt.
Der Bedarf an Deutschlernangeboten, mit denen Migrantinnen und Migranten auf die Teilnahme an Umschulungen und beruflicher Weiterbildung vorbereitet wurden, war zu diesem Zeitpunkt bereits groß. Zwar wurden in den 1990er- bis Anfang 2000er-Jahre von Kursträgern wie der VHS und den Migrationsdiensten
Maßnahmen zur berufsbezogenen Sprachbildung angeboten, dies jedoch eher punktuell und sporadisch sowie vor dem Hintergrund fehlender Förderinstrumente überwiegend aus Sondermitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) oder kommunaler Gelder bzw. Landesmittel finanziert. Ebenfalls aus Sondermitteln des ESF förderte die Bundesagentur für Arbeit (BA) bis 2007 im Rahmen des ESF-BA-Programms Maßnahmen zum Berufsbezogenen Deutsch für Arbeitslose.
Der Evaluationsbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) warf im Zusammenhang mit dem Wirkungsgrad der Maßnahmen zu Recht Fragen zu Inhalten und Struktur und damit letztlich zur Qualität der Angebote auf. Zudem wurde bereits auf die Sinnhaftigkeit der Verzahnung von berufsbezogener Sprachförderung und fachlicher Weiterbildungsmaßnahmen gerade für die Aktivierung und Qualifizierung Geringausgebildeter hingewiesen.
In Bezug auf die oben benannten Ansätze stellt sich die Frage, inwiefern es sich um bedarfsgerechte berufsbezogene Lernangebote handelte. Denn auch wenn eine systematische Dokumentenanalyse oder empirische Befragungen Beteiligter nicht vorliegen beziehungsweise nicht zugänglich sind, legen punktuelle Einsichten in die Konzepte der Maßnahmen und deren Praxisumsetzung den Schluss nahe, dass bis dato unter Berufsbezogenem Deutsch in erster Linie die Vermittlung von fachsprachlichem Wortschatz und Grammatikregeln verstanden wurde (und teilweise heute noch wird).
Die Frage, was „guter“ berufsbezogener Deutschunterricht ist und wie er gestaltet werden muss, um sowohl den kommunikativen Anforderungen des Arbeitsmarktes als auch der beruflichen Weiterbildung gerecht zu werden, fand in der Forschung dagegen bis dahin kaum Berücksichtigung.
Einen wichtigen Beitrag leistete hier das Projekt „Deutsch am Arbeitsplatz“ des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) sowie dessen Folgeprojekte. Die Ergebnisse flossen maßgebend in die Entwicklung der weiter unten angeführten Instrumente ein. Demografischer Wandel und zunehmender Fachkräftebedarf einerseits und andererseits die Erkenntnis, dass die Partizipation schon langjährig in Deutschland lebender Migrantinnen und Migranten an Bildung und Beschäftigung vielfach nicht gelungen ist, erforderten Anfang der 2000er-Jahre neue Regelungen und Instrumente zur Steuerung des Zuzugs und zur nachhaltigen Erwerbsbeteiligung zugewanderter Menschen. Mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes 2005 ging unter anderem die Einführung der Integrationskurse als verpflichtendes Instrument zum Deutschlernen einher. Darüber hinaus wurden mit dem Förderprogramm IQ bundesweit Strukturen geschaffen, die durch regionale Netzwerke dazu beitragen, dass die Beratung, Qualifizierung und Arbeitsmarktintegration von Migrantinnen und Migranten bundesweit gefördert wird.
Das Förderprogramm Integration durch Qualifizierung (IQ) hat 2005 berufsbezogenes Deutschlernen als ein zentrales Handlungsfeld aufgenommen. Dabei kommt der jetzigen IQ Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch die zentrale Aufgabe zu, bestehende Konzepte und Materialien zu bündeln und der Fachöffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, Praxishandreichungen zu publizieren sowie die bundesweite Fachdiskussion zu koordinieren.
Das Dialoggremium, dem Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Forschung, Verwaltung und Praxis im Handlungsfeld angehören, trägt dazu bei, dass Entwicklungen und Arbeitsprozesse im Themenfeld aus mehreren Perspektiven diskutiert und unter Beteiligung der unterschiedlichen Akteurinnen und
Akteure bearbeitet werden. Vor dem Hintergrund des Ausbaus berufsbezogener Sprachförderung ist die Entwicklung und bundesweite Verbreitung von Fortbildungskonzepten für Lehrkräfte in der sprachlichen und beruflichen Weiterbildung eine zentrale Aufgabe der Hamburger Arbeitsstelle. Die bundesweiten Ange-
bote zur berufsbezogenen Lehrkräftequalifizierung geschehen hier in enger Kooperation mit den Teilprojekten in den IQ Landesnetzwerken.
Mit der Einführung des bundesweiten ESF-BAMF-Programms wurde 2007 der besonderen Bedeutung von zweitsprachlicher berufsbezogener Sprachkompetenz für die Teilhabe an beruflicher Qualifizierung und am Arbeitsmarkt seitens der Politik erstmals insofern Rechnung getragen, als flächendeckend Kurse vorgehalten werden, mit denen Personen mit Migrationshintergrund durch die Vermittlung berufsbezogener Deutschkompetenzen der Zugang zu Qualifizierung und zum Arbeitsmarkt erleichtert werden soll. Im Juli 2016 startete mit Inkrafttreten der neuen Verordnung über die berufsbezogene Deutschsprachförderung auf der Grundlage des § 45a Aufenthaltsgesetz ein erstmalig aus Bundesmitteln finanziertes regelhaftes Programm zum Berufsbezogenen Deutsch, das sich an die Integrationskurse anschließt. Vorgesehen ist unter anderem die Verknüpfung arbeitsmarktpolitischer Instrumente mit den berufsbezogenen Sprachmodulen des Programms. Ob diese Verzahnung aber im Sinne eines integrierten Ansatzes von Fach- und Sprachlernen gelingt, wird maßgeblich von der Gestaltung der Rahmenbedingungen und Fördervorgaben abhängen.
Der Bedarf an konzeptioneller Beratung und Qualitätssicherung im Handlungsfeld stieg mit der Einführung der oben angegebenen Förderinstrumente zum Berufsbezogenen Deutsch sprunghaft an. Um die Qualität von Deutschlernangeboten sicherzustellen, werden im Förderprogramm IQ neben flächendeckenden Lehrkräftequalifizierungen zum Berufsbezogenen Deutsch Instrumente und Handreichungen für die Bildungspraxis konzipiert, die sowohl als Downloads und Printprodukte als auch in Lehrkräfte-Trainings verbreitet und ständig weiterentwickelt werden.
Zentrale Instrumente sind hier die Qualitätskriterien zum Berufsbezogenen Deutsch, die Methode der Sprachbedarfsermittlung sowie die Szenario-Methode. Angesichts der Notwendigkeit, die Förderung sprachlicher Kompetenzen in Verknüpfung mit fachlicher Qualifizierung stärker zu fokussieren, werden aktuell im Förderprogramm IQ Ansätze zum Integrierten Fach- und Sprachlernen (IFSL) entwickelt und erprobt und im Rahmen von Lehrkräfte-Fortbildungen multipliziert und weiterentwickelt.
Jedoch: Die Qualität der Angebote hängt auch zukünftig maßgeblich von den Bedingungen ab, zu denen DaZ-Lehrkräfte in der außerschulischen Weiterbildung arbeiten müssen. Um die Qualität in diesem Arbeitsfeld langfristig zu sichern und die Öffnung der beruflichen Weiterbildung im Sinne einer durchgängigen
Sprachbildung voranzutreiben, ist eine Personalpolitik notwendig, die der Bedeutung dieses Bildungsbereichs gerecht wird.
Iris Beckmann-Schulz
IQ Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch