IQ Kongress 2016 und die Beiträge der Fachstelle

Der IQ Kongress vom 6. und 7. Dezember 2016 in Berlin hat eines deutlich gemacht: Während in Deutschland erneut eine politische Debatte geführt wird, ob Geflüchtete und Zugewanderte bei uns willkommen sind, arbeiten zahlreiche staatliche, halbstaatliche und zivilgesellschaftliche Einrichtungen und Initiativen längst erfolgreich an der Integration der Zugewanderten. Entscheidend für diese Integration ist, dass Zugewanderte mit ihren Qualifikationen auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine gute und faire Beschäftigung finden. Wie dies gelingen kann, zeigten sowohl ein Blick in klassische Einwanderungsländer wie Kanada oder Australien als auch die vielen Erfahrungsberichte aus der täglichen Praxis in Deutschland. So war der Kongress auch ein Schritt auf dem Weg, Deutschland als ein Einwanderungsland zu begreifen und zu gestalten.

Bei insgesamt 28 Workshops und sechs Roundtables konnten die Kongressteilnehmenden tiefer in konkrete Themen der Arbeitsmarktintegration von Migrantinnen und Migranten eindringen – vom Spracherwerb am Arbeitsplatz bis zur Anerkennung von Berufsqualifikationen aus dem Herkunftsland. Die Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch beteilligte sich rege und fächerte in 4 Workshops und einem Roundtable unterschiedliche Facetten zum Thema Sprache auf:

Der Workshop „Sprachenlernen nach der Flucht“ beleuchtete den Spracherwerb von Geflüchteten unter verschiedenen Aspekten. Die These von Dr. Verena Plutzar (Universität Wien), dass Deutschunterricht Traumaarbeit sei, findet schon Berücksichtigung bei der Gestaltung von Deutschkursen und anderen Lernorten. So sind offene Angebote wie z.B. das von Sabine Stallbaum (AWO Bielefeld) vorgestellte Sprachcafé „Bonvenon“ in Bielefeld eine gute Möglichkeit für Geflüchtete, eine Beziehung zur deutschen Sprache und zu den Menschen, die sie sprechen, aufzubauen. Die von der IQ Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch entwickelte und im Workshop von Silke Ahrens erläuterte neue Qualifizierung für Kursleitende in Berufsbezogenem Deutsch trägt der Forderung von Dr. Verena Plutzar nach der Öffnung des Unterrichts für die Bedürfnisse traumatisierter Geflüchteter mit dem Modulinhalt „Sprachenlernen nach der Flucht“ Rechnung. Die vielen Fragen an die Referentinnen zeigten, dass es von institutioneller Seite einen großen Bedarf an Information zu diesem Thema gibt und der fachliche Austausch intensiviert werden sollte.

Der Workshop "Willkommen in Deutschland – Möglichkeiten und Grenzen digitaler Angebote zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten" begann mit einer Diskussion darüber, welche Medien Menschen mit Migrationshintergrund in ihrem Alltag nutzen. Berücksichtigung fanden hierbei auch die Studien des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Anschließend wurde aufgezeigt, welche digitalen Angebote speziell (bzw. auch) für Geflüchtete bestehen. Im Anschluss wurden aus drei Bereichen Angebote vorgestellt: Information, Spracherwerb und Qualifizierung. Zunächst stellte Katharina Moraht vom BiBB die App „Anerkennung in Deutschland“ vor, welche Informationen zur Anerkennung speziell für Geflüchtete zur Verfügung stellt. Die vielfältigen Möglichkeiten eines mediengestützten Spracherwerbs vermittelte Karin Ransberger, unter anderem anhand einer szenarienbasierten App für Pflegeberufe. Abschließend stellte Ariane Baderschneider (fbb) virtuelle Lehr- und Lernsettings aus dem Bereich Betriebswirtschaftslehre vor, die auf die Zielgruppe abgestimmt sind. In der anschließenden Diskussion wurde erörtert, welche Angebote es entlang der Prozesskette gibt, was sie leisten und welche Anforderungen es zu erfüllen gilt.

Im transnational  besetzten und auf Englisch durchgeführten Workshop "Language acquisition at the workplace - workrelated language training" sprach - nach einer anregenden den theoretischen Hintergrund reflektierenden Einführung von Matilde Grünhage-Monetti - Kerstin Sjösvärd über ein Stockholmer Projekt, das in Pflegeheimen berufsbezogene Schwedisch-Kurse am Arbeitsplatz mit eigens trainierten "Sprachanwälten" und Reflexionsgruppen durchführt. Um dieses Modell in ganz Schweden zu multiplizieren, entwickelte Äldrecentrum ein Blended Learning Format. Zusätzlich wurden im Auftrag des Schwedischen Staates Online-Sessions im Video-Format für die Mitarbeitenden und Tutoren produziert, die nicht an dem sechs Monate dauernden Training teilnehmen können. Rita Leinecke gab einen Überblick, welche Projekte in Deutschland Sprachlernangebote am Arbeitsplatz durchführen und stellte ein Visualisierungsmodell der die Lernsettings definierenden Parameter vor. In der darauf sich entfaltenden Diskussion wurden unterschiedliche Fragen debattiert: z.B. Wie lassen sich erfolgreiche Projekte in die Regelförderung überführen? Wie kann ein Paradigmenwechsel vom Prüfungslernen zum Lernen fürs Leben erfolgen? Welche Strategien könnten für kleine Unternehmen mit nur wenigen Beschäftigten entwickelt werden?

Bei der von Matilde Grünhage-Monetti und Susan Kaufmann initiierten Roundtable-Diskussion „Von Mehrsprachigkeit zu Translanguaging – Welche Mehrsprachigkeit braucht das Land / brauchen wir?" setzen sich die Teilnehmenden mit dem Konzept Translanguaging auseinander, das überzeugende Erklärungen über die politische Dimension von Mehrsprachigkeit bietet und praktische Umsetzungsmöglichkeiten für unsere zunehmend transnationale Realität aufweist. Nach lebhafter Diskussion der Leitfragen wurden eine Reihe von Wünschen bzw. Forderungen an Praxis, Wissenschaft und Politik gestellt, die u. a. den Respekt für unterschiedliche Sprachenkonstellationen, die Gleichstellung/-behandlung und Wertschätzung aller Sprachen, die Anerkennung von Sprachen als lebende, sich unaufhörlich verändernde Systeme, die Sensibilisierung für auf Sprache basierende Machtverhältnisse in der Verwaltung sowie den großen Bedarf an Unterstützung der Lehrkräfte durch Fortbildungen und didaktische Handreichungen anmahnten.

Der Workshop "Der erste Schritt zum Gesamtprogramm Sprache - Die berufsbezogene Sprachförderung des Bundes – Stand und Weiterentwicklung" mit Iris Beckmann-Schulz, Anna Lüffe und Florian Knape (beide BAMF), informierte  zum inhaltlichen Aufbau und Stand der Umsetzung der zum 01.07.2016 zum neuen Regelangebot des Bundes gem. §45a AufenthG zur berufsbezogenen Sprachförderung für Menschen mit Migrationshintergrund in Kraft getretenen Verordnung.

Hier können Sie noch einmal in die Kongressatmosphäre eintauchen und die Highlights mit Hilfe der multimedial eingefangenen Impressionen Revue passieren lassen. Ab Januar 2017 werden Sie eine ausführliche Dokumentation des IQ Kongresses 2016 mit allen Panels, Workshops und Roundtables auf dieser Seite vorfinden.