"Sprache ist der Schlüssel zur Integration" - Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung am 20.11.2010

Unter der Überschrift „Sprache ist der Schlüssel zur Integration“ und dem Untertitel „Bedingungen des Sprachlernens von Menschen mit Migrationshintergrund“ hatten die Arbeiterwohlfahrt und die Friedrich Ebert Stiftung am 29. November 2010 in Berlin zu einer gemeinsamen Fachtagung eingeladen. „Eine durchgängige Sprachförderung für Einwanderer“, so der Einladungstext, „bedeutet, dass von der Familie über Kindergarten, Schule, bis hin zu Aus- und Weiterbildung Sprachlernprozesse gestaltet werden müssen. Die Institutionen der Einwanderungsgesellschaft Deutschland müssen sich der sprachlichen Vielfalt der Bevölkerung bewusst werden und sie als wichtige Ressource in einer globalisierten Welt erkennen und fördern.“

In den Fachbeiträgen von Professor Bernt Ahrenholz, Universität Jena, Professorin Ursula Neumann, Universität Hamburg, und Professor Udo Ohm, Universität Bielefeld, wurden zunächst verschiedene Anforderungen der sprachlichen Bildung in der Elementarerziehung, beim Übergang Schule - Beruf und in der beruflichen Qualifizierung vorgestellt und in drei Foren am Nachmittag vertieft. Die Fachtagung der Friedrich Ebert Stiftung bediente so im Großen und Ganzen das Etikett „Fachtagung“ – und dies durchaus kompetent. 

Der Titel „Sprache ist der Schlüssel“ sollte, wie im Vorfeld der Tagung zu erfahren war, „leicht ironisch gemeint“ verstanden werden und – immerhin – in der Ansprache von Brigitte Döcker, Mitglied des Vorstandes der Arbeiterwohlfahrt, und in wenigen Wortmeldungen vor allem in den Workshops, waren gelegentlich kritische Anmerkungen zu vernehmen: Wenn die Beherrschung der deutschen Sprache von Politik und vor allem der Verwaltung zunehmend als einer der wichtigsten Integrationsgradmesser instrumentalisiert wird und das Bestehen von – mehr oder weniger willkürlich festgesetzten – Test-„Niveaus“ zu Rechtstiteln umdefiniert wird, sind eigentlich auch und gerade die Fachleute gefordert, sich zu einer solchen Verquickung von pädagogischen mit bürokratischen Zielen zu positionieren. 

Positionen von Teilnehmenden 

Übrigens: In einigen Gesprächen am Rande der Tagung bezogen einige Teilnehmer/innen aus dem Fachpublikum tatsächlich Position und begrüßten – ganz im Gegensatz zu den wenigen kritischen Stimmen in den Workshops - die zunehmende Tendenz zur „Teilnahmeverpflichtung“ von Migrant/innen an einem Deutschunterricht. Sogar die Bedingung, dass Migrant/innen die jeweils ausgewählten Tests bestehen müssen, ehe sie z.B. der Schulpflicht nachkommen dürften, ehe sie als Ehegatten zu ihren – auch deutschen Ehepartner/innen – nachreisen dürften, ehe ihr Aufenthalt sich verfestigen dürfte etc, wurde in diesen Gesprächen noch positiv gewertet. Hier werden begründete Überzeugungen pädagogischen Handelns in Frage gestellt - wie etwa die, dass Lernen immer auch mit Identität und Motivation verbunden ist - ohne eine fachliche Auseinandersetzung darüber zu führen.

Weitgehend ignoriert werden so auch 50 Jahre Erfahrungen mit und zum Unterricht Deutsch als Zweitsprache: Zahlreiche Analysen dieser Erfahrungen verweisen auf die Anforderung, dass die Rahmenbedingungen für den Deutscherwerb verbessert werden müssen. Beispiele für solche notwendigen Änderungen sind z.B. die Änderung von Strukturen in den Schulen, die Überarbeitung von schulischen Curricula auf der Grundlage der Tatsache, dass der Anteil der Schüler/innen mit Migrationshintergrund in Deutschland ständig ansteigt (und auch weiterhin ansteigen wird), eine entsprechende Anpassung an die Qualifizierung von Lehrkräften sowie die Konzipierung von verlässlichen Programmen für Jugendliche und Erwachsene. Es wäre in der Tat Zeit, gerade in Expert/innenkreisen verstärkt darüber nachzudenken, warum es bis heute offensichtlich nicht gelungen ist, bessere Rahmenbedingungen für das Erlernen der Zweitsprache für möglichst alle Betroffenen zu schaffen. 

Dokumentation der Tagung

Der Gesprächskreis Migration und Integration der Friedrich Ebert Stiftung hat die Beiträge zur Tagung in seiner Reihe WISO Diskurs (November 2010) veröffentlicht; unter library.fes.de/pdf-files/wiso/07666.pdf steht die Publikation auch als Download zur Verfügung. Ebenfalls im Internet zu finden ist das Manuskript zu der Deutschlandfunksendung „Studiozeit“ am 02.12.10: Dort werden die Vorträge des Vormittags mit Zitaten kurz  zusammengefasst (http://www.dradio.de/dlf/sendungen/studiozeit-ks/1334174/)  - das Fazit hier wird zu einer Bestätigung des Titels: „Sprache ist der Schlüssel zur Integration - das Motto der Tagung spiegelte sich in den präsentierten Forschungsergebnissen wieder. Erfolg in der Schule beruht demnach ganz wesentlich auf der Sprachfertigkeit.“ Des Weiteren bietet „Die Zeit“ vom 01.12.2010 eine Replik zur Tagung: „Türkisch zu Hause, Deutsch in der Kita. Kinder mit Migrationshintergrund sollen besser Deutsch lernen. Das Potenzial ihrer Mehrsprachigkeit wird in vielen Kitas einfach ignoriert“ www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-11/mehrsprachigkeit-migranten; in diesem Beitrag wird vor allem auf das Modellprojekt „Vielfalt gestalten – Integration im Kindergarten“ des Vereins AktionCourage e.V, eingegangen, das im Forum 1 vorgestellt wurde und im Februar 2010 auslief.

 Petra Szablewski-Çavuş