Ein Erfahrungsbericht aus Frankfurt am Main
Ausgangssituation
In der beruflichen Qualifizierung wurde bislang der Tatsache, dass vor allem in Ballungsgebieten ein großer Anteil der Bevölkerung, und damit auch potenzielle TeilnehmerInnen von Qualifizierungsmaßnahmen, einen Migrationshintergrund und damit eine andere Herkunftssprache als Deutsch hat, wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Eins der wenigen Instrumente, die diesem Tatbestand Rechnung trugen, waren z.B. im Bereich der Arbeitsmarktpolitik sogenannte Maßnahmen für Zielgruppen, in diesem Fall für MigrantInnen. Diese Strategie wurde zwischenzeitlich abgelöst von einer an den individuellen Bedarfen ansetzenden passgenauen Förderung. Eine solche Förderung ist aber nur dann wirklich möglich, wenn im Bereich der beruflichen Qualifizierung die Qualifizierungsmaßnahmen interkulturell geöffnet werden, was bislang allerdings noch aussteht.
Zu einer solchen interkulturellen Öffnung gehört als ein zentraler Bestandteil das fachlich adäquate Umgehen mit der Tatsache, dass für viele Personen mit Migrationshintergrund Deutsch eine Zweitsprache ist. Das bedeutet für die TeilnehmerInnen, dass sie in den Lehrgängen zum einen mit sprachlich z.T. sehr komplexen Texten und Erklärungen in dieser Zweitsprache Deutsch konfrontiert sind und sich zum anderen neue fachliche Inhalte in der Zweitsprache aneignen müssen. Daraus ergibt sich eine enorme zusätzliche Lernbelastung, die sich deutlich von derjenigen von MuttersprachlerInnen unterscheidet. So werden TeilnehmerInnen, die ggf. nur eine kurze Schulbildung erhalten haben und seit Jahren keine Schulungssituation mehr bewältigen mussten, konfrontiert mit komplexen, kontextarmen schriftbasierten Kommunikationsituationen, die zu bewältigen ihnen ggf. auch in ihrer Herkunftssprache nicht möglich wäre bzw. ihnen schwer fallen würde.
Diese Ausgangslage wurde in der beruflichen Qualifizierung bislang kaum erkannt, geschweige denn verstanden und angemessen berücksichtigt. Im besten Fall wurde in der Überzeugung, dass dort schon ausreichend Deutsch erworben werden kann, auf die staatlichen Deutschlernprogramme wie die Integrationskurse und das ESF-BAMF-Programm für berufsbezogenes Deutsch verwiesen, um in den Qualifizierungsmaßnahmen bestehen zu können. Dies ist aber keineswegs immer der Fall und - Fachleute wissen das - kann es auch nicht sein.
Die bislang unhinterfragte Haltung, den TeilnehmerInnen allein die Bewältigung des ‚Sprachproblems’ aufzubürden, wird der Situation nicht gerecht und verhindert für eine nicht geringe Zahl Menschen eine erfolgreiche Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen. Hier ist ein Umdenken notwendig und überfällig.
Perspektivwechsel und Umsetzung
Um in Frankfurt zur Verbesserung der Situation beizutragen und zumindest regional einen Paradigmenwechsel in der beruflichen Bildung anzustoßen, hat 2008 das Amt für multikulturelle Angelegenheiten in Kooperation mit der Rhein-Main-Job-Center GmbH und mit Maßnahmeträgern der beruflichen Bildung einen Fachtag zu diesem Themenkomplex durchgeführt. Der Titel lautete: „Deutsch als Zweitsprache und berufliche Qualifizierung – Optimierung der Qualifizierungsmaßnahmen SGB II für Personen mit Migrationshintergrund“. Während dieses Fachtags wurde deutlich gemacht, dass auch AusbilderInnen und FachlehrerInnen verstehen lernen müssen, was es heißt, eine Maßnahme in der Zweitsprache Deutsch zu absolvieren. Sie müssen qualifiziert werden, die TeilnehmerInnen angemessen zu unterstützen und den Unterricht bzw. ihre Arbeitsanweisungen entsprechend zu gestalten.
Die beiden Fortbildungsmodule
Um den Trägern sowie deren FachlehrerInnen und AusbilderInnen den Zugang zu diesem für sie in der Regel neuen Aspekt in der beruflichen Qualifizierung zu erleichtern, hat das Amt für multikulturelle Angelegenheiten zwei Fortbildungsmodule für FachlehrerInnen und AusbilderInnen entwickelt und sie im Anschluss an den Fachtag regelmäßig angeboten. Die Teilnahme war für Frankfurter Träger kostenlos.
1) Für Ausbilder und FachlehrerInnen:
Verbesserung der sprachlichen Kommunikation mit TeilnehmerInnen nicht-deutscher Herkunftssprachen und Förderung der Deutsch-Kompetenzen der Teilnehmer/-innen
2) Für FachlehrerInnen und alle, die Fachunterricht erteilen:
„Fachtexte knacken“ – Fachtexte als besondere Herausforderung für Lernende nicht-deutscher Herkunftssprachen
Das erste Modul zielt darauf ab, die VermittlerInnen von beruflichen Inhalten, also die AusbilderInnen und FachlehrerInnen, sprachlich zu sensibilisieren, so dass sie fachliche Inhalte sprachlich bewusster vermitteln können und ihre Sprache teilnehmeradäquat wählen, aber auch ihren TeilnehmerInnen helfen können, ihre sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern. Im Mittelpunkt dieses Moduls steht die mündliche Kommunikation.
Das zweite Modul beschäftigt sich mit den Fachtexten und der Schwierigkeit für die TeilnehmerInnen, diesen die Ausbildungsinhalte zu entnehmen. Es richtet sich nicht nur an Sprachdozenten sondern an alle FachlehrerInnen. Diese sollen in die Lage versetzt werden, typische sprachliche Strukturen von Fachtexten zu erkennen, diese auflösen zu können, und sollen auch in die Lage versetzt werden, diese Bearbeitungsstrategien an die Teilnehmenden weitergeben zu können.
Erfahrungen und Ergebnisse
Die Fortbildungen hatten einen Umfang von 1,5 Tagen; d.h. sie umfassten nur eine erste Einführung und Sensibilisierung. Sie wurden von den Teilnehmenden i. d. R. mit Interesse aufgenommen; wobei den AusbilderInnen der (selbstreflexive) Zugang zur Dimension Sprache größere Schwierigkeiten bereitet hat als den FachlehrerInnen. Immer wieder ist für Träger schwer zu verstehen, dass sich die Fortbildungen nicht an DaZ-DozentInnen oder Deutsch-FachlehrerInnen richten, sondern gerade an FachlehrerInnen aller Fächer.
Die Module sind ein guter Einstieg, reichen aber nicht aus. Wir erwägen aktuell die Durchführung von Workshops, in denen auf konkrete Maßnahmesituationen und deren Gestaltung eingegangen werden kann.
Die Erfahrungen haben uns gezeigt, dass die Weiterbildung des Lehrpersonals ein wichtiger Ansatzpunkt ist, um für Personen mit Zweitsprache Deutsch die Erfolgsaussichten in Qualifizierungsmaßnahmen zu verbessern. Hier gibt es nicht nur in Frankfurt viel zu tun.
April 2010
Ulrike Dimpl, Amt für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main