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Bibliographie DaF in der Arbeits- und Berufswelt

Kühn, Günter; Mielke, Tomas M. (Hrsg.) (2012): Deutsch als Fremdsprache in der Arbeits- und Berufswelt. Eine kommentierte Bibliografie berufsbezogener Lehr- und Lernmaterialien. Berichte zur beruflichen Bildung. Schriftenreihe des Bundesinstituts für Berufsbildung. Bielefeld: Bertelsmann Verlag.

Sowohl in den deutschsprachigen Ländern als auch im Ausland gewinnt der Erwerb der deutschen Sprache aus beruflichem Interesse oder aus beruflicher Notwendigkeit einen immer höheren Stellenwert. An die Stelle der früheren humanistischen Motive treten zunehmend ökonomische (Haider 2010): Durch Migration, Globalisierung und Veränderungen von Arbeitsprozessen u. a. durch die neuen Technologien oder die zunehmende Bedeutung von Teamarbeit ist kommunikative Handlungskompetenz zu einem konstitutiven Bestandteil  beruflicher Handlungskompetenz geworden und der Deutscherwerb für das Arbeits- und Berufsleben findet zunehmend Beachtung in Forschung, Sprachdidaktik und Förderprogrammen. 

Die kommentierte Bibliographie „Deutsch als Fremdsprache in der Arbeits- und Berufswelt“ reiht sich daher in eine Reihe von Veröffentlichungen ein, die diesen Gegenstand genauer in den Fokus nehmen. Im Vergleich zu vielen anderen Publikationen kann sie jedoch auf eine  geschichtliche Tradition verweisen, befindet sie sich doch als fünfte Ausgabe in einer Kontinuität zu bereits seit 1996 erschienen Veröffentlichungen in der Schriftenreihe „Deutsch für Ausländer in der Arbeits- und Berufswelt“ (S. 5). Dass im Titel nun nicht mehr von „Deutsch für Ausländer“ die Rede ist, sondern nach all dem Jahren der Fachbegriff Deutsch als Fremdsprache (DaF) aufgegriffen wurde, ist eindeutig zu begrüßen, da ja nicht die Nationalität der Lernenden (zumal auch Personen deutscher Nationalität das Deutsche als Fremd- oder Zweitsprache lernen, wie z.B. im Falle der Spätaussiedler_innen), sondern die zu lernende Sprache im Fokus steht. Schon im Vorwort wird aber mit dem ersten Satz deutlich, dass es nicht (ausschließlich) um das berufsbezogene Lernen und Lehren der deutschen Sprache im Ausland geht, sondern dass auch die Inlandsperspektive und Deutsch als Zweitsprache (DaZ) mit angesprochen ist, womit „Deutsch als Fremd- und Zweitsprache in der Arbeits- und Berufswelt“ der passendere Titel gewesen wäre.

Das 209 Seiten starke Buch gliedert sich in einen einführenden Teil zur berufsbezogenen Vermittlung der deutschen Sprache im In- und Ausland sowie einen Hauptteil, der Lehrwerkdokumentation, die sich wiederum in einen Part für Printmaterialien und einen für digitale Medien aufteilt. Im Anhang befinden sich drei Register: das Erstautorenregister (nur für die Printmaterialien), das Branchenregister und ein Niveaustufenregister (beide für das Gesamtregister). Das Ziel der Ausgabe beschreibt der Präsident des BIBB, Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser folgendermaßen:

Es ist die erklärte Absicht dieser Veröffentlichungen, den Lehrenden wie den Lernenden eine praktische Handreichung und Orientierungshilfe bei der Auswahl und Benutzung von Lehr-/Lernmitteln zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig einen Beitrag zur Markttransparenz zu leisten. (S. 5)

Der einführende Teil beginnt mit einer Einleitung von Günter Kühn, in welcher er „Die deutsche Sprache in ihrer internationalen Bedeutung und als ein Integrationsfaktor in nationaler Sicht“ beleuchtet. Der Artikel bietet einen guten Überblick, gerät aber – sicher auch aufgrund seines breiten Ansatzes – an vielen Stellen zu kurz bzw. weist an anderen Stellen auch Fehler auf. So geht Kühn in seiner Geschichtsschreibung z.B. übergangslos von der Anwerbung der Gastarbeiter zum Zuwanderungsgesetz über, ohne auf die Entwicklungen zwischen 1998 und 2005 einzugehen. Er spricht von der Unabdingbarkeit „ausreichende[r] Sprachbeherrschung“ (S. 14) (im Zuwanderungsgesetzt mit B1 gleichgesetzt) für die Aufnahme einer qualifizierten Arbeit oder eines Studiums, wofür in der Regel Sprachkenntnisse von B2 bzw. C2 notwendig sind. Flüchtlinge und Asylbewerber_innen – jene Gruppe, die per Gesetz von den Integrationskursen ausgeschlossen ist – werden nach seinen Worten zu diesen verpflichtet (S. 13). Der für das Gesamtwerk so wichtige Teil zur Begriffsdefinition beruflicher Sprachvermittlung füllt kaum eine Seite und wird lediglich für die Inlandsperspektive beschrieben. Statt sich auf einschlägige Werke zur Berufsbezogenen Deutschvermittlung (vgl. u.a. Grünhage-Monetti & Klepp 2004; Kuhn 2007; Funk 2010) zu beziehen, verweist Kühn lediglich darauf, dass „die Vermittlung der deutschen Sprache als Fremdsprache [sic] in der Arbeits- und Berufswelt […] inhaltlich von der Betonung gegebener beruflicher Rahmenbedingungen“ (S. 14) bestimmt ist. Dem ist zwar nicht zu widersprechen, unter der Überschrift „Zur Begriffsdefinition beruflicher Sprachvermittlung“ bzw. „Unterscheidungsmerkmale von allgemeiner und beruflicher Sprache“ erwartet der/die interessierte Leser_in aber mehr. Einen Absatz widmet Kühn noch der Begriffsbezeichnung Bildungssprache, die „er in Abgrenzung zur Alltagssprache“ (ebenda) sieht, was ihrer Bedeutung nur unzureichend entspricht. 

Der letzte Punkt seiner Einleitung ist dem Erwerb und der Anwendung einer Zweitsprache gewidmet. Seine insbesondere am Ende des ersten Abschnitts sehr defizitorientierte Sichtweise stimmt nicht dem Mehrsprachigkeitsansatz des Europarates überein, auf den an späterer Stelle mit dem GER verwiesen wird. Der folgende Absatz zu Tradition, Sprache und Identität schwebt etwas losgelöst vom Gesamtartikel, seine Funktion und Aussage wird auch aufgrund seiner Kürze und dem fehlenden Bezug zu einschlägiger Literatur in diesem Bereich (z.B. Norton 1995) nicht deutlich. Zum Schluss kommt Kühn noch auf den Gebrauch der Herkunftssprachen der in Deutschland lebenden Zuwanderer zu sprechen und hebt ihre Bedeutung in der Arbeitswelt hervor, ohne aber auf die Wichtigkeit ihrer Förderung hinzuweisen.

Der Einleitung von Kühn folgen Beiträge zur Vermittlung der deutschen Sprache im In- und Ausland. Anna Lüffe und Jens Reimann stellen im ersten Artikel das ESF-BAMF-Programm für berufsbezogene DaZ-Kurse vor. Dabei nehmen die beiden Vertreter_innen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Sichtweise ihrer Institution ein, ohne die Schwierigkeiten aus der Praxis mit einzubeziehen. Der Artikel gibt einen guten Einblick in das Förderprogramm, macht aber auch – allerdings lediglich implizit und wahrscheinlich, ohne dass dies der Autorin und dem Autor bewusst ist – auf die Schwachstellen aufmerksam. Die sogenannten innovativen Elemente des ESF-BAMF-Programms beziehen sich lediglich auf die Rahmenbedingungen, nicht aber auf die Inhalte. Die Abgrenzung von berufsbezogenem Deutschunterricht und der Qualifizierung widerspricht aktuellen Ansätzen wie der integrativen Sprachförderung bzw. durchgängigen Sprachbildung (Lange & Gogolin 2010) oder dem sprachsensiblen Fachunterricht (Leisen 2010). Interessant sind die Punkte, die Lüffe & Reimann im Ausblick nennen, wie z.B. die Wichtigkeit der Lehrkräftequalifizierung für berufsbezogenen DaZ-Unterricht oder der Sprach- und Kompetenzfeststellungsverfahren.

Roman Luckscheiter beschreibt in seinem Artikel die berufsbezogene DaF-Förderung durch den DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst). Nach einem Überblick über die durch den DAAD geförderten Programme weist er darauf hin, dass die Orientierung der Deutschvermittlung an der internationalen Arbeits- und Berufswelt ein Thema ist, das für den DAAD in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird, weswegen an der Anpassung der Instrumente gearbeitet wird (S. 32).

Monika Tröster stellt die Forschungsaktivitäten des DIE (Deutsches Institut für Erwachsenenbildung) im Kontext von Migration dar. In ihrem Beitrag wird deutlich, dass das Thema kein neues ist, sondern dass auf vorhandene Arbeiten aufgebaut werden kann und dass sich ein Blick in die europäischen Nachbarländer lohnt. Nach der Aufzählung so interessanter Projekte wie Deutsch am Arbeitsplatz (DaA), TRIM oder ODYSSEUS fehlt allerdings ein Ausblick auf aktuell notwendige Schritte, um das Rad nicht wieder neu zu erfinden oder gar hinter schon gegangenen Schritten zurückzufallen.

Rita Süssmuth schildert die Integrationsleistung der Volkshochschulen in Deutschland. Sie geht auf die allgemeinen Programme der Integrationskurse, der Orientierungskurse (im Grunde genommen ein Teil der Integrationskurse) samt Einbürgerungstest und schlussendlich auf die berufsbezogenen ESF-BAMF-Kurse (siehe Artikel von Lüffe & Reimann) ein. Lediglich unter dem Punkt Alphabetisierung wird ein genuin von der Volkshochschule zu verantwortendes Projekt, die kostenlose Lernplattform ich-will-lernen.de, vorgestellt. Der Artikel gibt einen guten Überblick über die Arbeit der Volkshochschulen in diesem Bereich, jedoch ist nicht ersichtlich, warum eine Konzentration lediglich auf diesen Anbieter vorgenommen wird, da der Hauptteil der berufsbezogenen DaZ-Förderung (auch, aber nicht nur der ESF-BAMF-Kurse) von anderen Trägern angeboten werden, die hier nicht erwähnt werden bzw. nicht zu Wort kommen.

Der letzte Artikel im einführenden Teil stammt von Werner Schmitz und Barbara Baumann und trägt den anachronistisch anmutenden Titel „Deutsch für Ausländer in der Arbeits- und Berufswelt“, obwohl gleich zu Beginn deutlich gemacht wird, dass es sowohl um die Förderung des Deutschen als Fremd- als auch als Zweitsprache geht und damit nicht nur Ausländer gemeint sein können. Vorgestellt wird die Arbeit des Goethe-Instituts in diesem Bereich, wobei Berufsbezogener Sprachunterricht und Fachsprachenunterricht gleichgesetzt werden (S. 48), aber auch Angebote des allgemeinsprachlichen Unterrichts zur Sprache kommen.

Die über 100 Seiten starke Bibliografie der Printmaterialien wurde „grundlegend aktualisiert und neu recherchiert“ (S. 55) und verfügt nunmehr über Informationen zu mehr als 226 Printlehrwerken vor (67 für den arbeits- oder berufsspezifischen Bereich, 159 für den allgemeinen Unterricht DaF) (ebenda). Nicht mehr lieferbare Bücher wurden aus der Liste entfernt. Ansonsten galt als Kriterium für die Aufnahme von Lehrwerken deren Relevanz für die Berufsbildung, indem sie „die Arbeitswelt berufsunabhängig thematisieren und Sprechsituationen für das Arbeitsleben trainieren (selbst wenn die Lehrwerke den Arbeitsweltbezug nicht im Titel führen, also ohne direkten Berufsbezug auch Themen, Vokabular und Sprechsituationen für die Arbeitswelt vermitteln“ (S. 56). Es gibt zwei Kategorien von Titeln: allgemeinsprachliche und arbeits- oder berufsbezogene (auf Unterschiede/Gemeinsamkeiten zwischen Allgemeinsprache und Arbeits- oder Berufssprache bzw. deren Beschreibung wird hier nicht weiter eingegangen, somit bleiben lediglich die Ausführungen von Kühn dazu, S. 14). Beide Listen sind alphabetisch nach den Nachnamen der Autoren sortiert, was die inhaltliche Suche sehr erschwert.

Ansonsten liest sich die Bibliografie wie eine Zusammenstellung sämtlich vorhandener Materialien für DaF/DaZ, von der Alphabetisierung über Phonetik, Grammatik, Grammatikspiele, Fachsprachenbücher, allgemeinsprachliche Lehrwerken, solche zum Orientierungskurs im Rahmen der Integrationskurse bis hin zu interkultureller Kommunikation der letzten Jahre (der älteste Titel, Texte aus den Wissenschaften, stammt aus dem Jahr 1990). Hier liegt auch ihre Stärke: Jemand, der sich einen Gesamtüberblick verschaffen möchte, findet ihn hier. Wer – entsprechend der Zielsetzung dieses Buches – eine Orientierungshilfe für die Auswahl und Benutzung von Lehr-/Lernmitteln für den berufsbezogenen DaF/DaZ-Unterricht benötigt, wird wahrscheinlich ratlos zurückbleiben. Wie sinnvoll z.B. der Einsatz der Deutschen Sprachlehre für Ausländer in einem DaF-/DaZ-Unterricht ist, der auf die heutigen Anforderungen im Beruf oder am Arbeitsplatz vorbereiten möchte, erschließt sich nicht, zumal die Lehrwerksbeschreibung auf die „Betonung grammatischer Inhalte“, „Themen des Alltags“ und grammatische „Einsetzübungen (S. 85) hinweist. Bei vielen Titeln fehlt die Lehrwerksbeschreibung, Hinweise wie „Die Lehrerhandreichung bietet didaktische Hinweise für den Unterricht“ bieten über Selbstverständlichkeiten hinaus keinen Mehrwert für Lehrende. Die in dem Aufnahmekriterium formulierte berufsunabhängige Thematisierung der Arbeitswelt (vgl. S. 56) ist glücklicherweise nicht eingehalten worden, so dass sich auch Lehrwerke für spezifische Arbeitsfelder z.B. in der Pflege oder im Büro finden. Bei einer so breit angelegten Sammlung wäre die Beachtung von berufsbezogenen Lehrwerken aus den anderen deutschsprachigen Ländern, v.a. Österreich und der Schweiz, eine Bereicherung gewesen.

Die 14-seitige Bibliografie ausgewählter digitaler Medien ist ebenfalls in Materialien für den allgemeinen sowie den berufsbezogenen DaF-Unterricht unterteilt. Die Beschreibungen heben sich z.T. durch den Zusatz „Was auffiel“ von jenen in der Bibliografie der Printmaterialien ab, die sich allerdings auf die Programmbesonderheiten beziehen und keine Aussagen zur inhaltlichen Qualität beinhalten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Buch, welches in seinem formulierten Ziel (s.o.) einem Bedarf von Lehrenden und Lernenden entspricht, weit unter seinen Möglichkeiten bleibt. Dies gilt sowohl für den einführenden Teil als auch für die Bibliografie. Ersterem hätte aus der im Rahmen dieses Internetportals interessierenden DaZ-Perspektive eine ausführlichere Behandlung der Themen unter Punkt 2 (Die deutsche Sprache als gesellschaftlicher Integrationsfaktor: Migration und Integration; Begriffsbestimmung beruflicher Sprachvermittlung; Erwerb und Anwendung einer Zweitsprache) gut getan, um Lehrenden in diesem Bereich als Einführung und Nachschlagewerk zu dienen. Der Bibliografie hätte eine kritischere Auswahl, eine inhaltliche Struktur sowie weitere Informationen zu den einzelnen Materialien geholfen, um in der Tat für Lehrende und Lernende „eine praktische Handreichung und Orientierungshilfe bei der Auswahl und Benutzung von Lehr-/Lernmitteln“ (S. 5) darzustellen. Ein solches Werk fehlt bisher im Bereich Deutsch als Zweitsprache in der Arbeits- und Berufswelt.

Rezensentin: Andrea Daase, Bielefeld

 

Literatur

Funk, Hermann (2010): Berufsorientierter Deutschunterricht. In:  Krumm, Hans-Jürgen; Fandrych, Christian; Hufeisen, Britta; Riemer, Claudia (Hrsg.): Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Ein internationales Handbuch. Berlin: De Gruyter, 1145-1152. 

Grünhage-Monetti, Matilde; Klepp, Andreas  (2004): Zweitsprache am Arbeitsplatz als Herausforderung für Integration und Partizipation. Europäische Perspektiven. Deutsch als Zweitsprache, Heft 1/2004, 15-20.

Haider, Barbara (2010): Deutsch in der Gesundheits- und Krankenpflege. Eine kritische Sprachbedarfserhebung vor dem Hintergrund der Nostrifikation. Wien: facultas wuv. 

Kuhn, Christina (2007): Fremdsprachen berufsorientiert lernen und lehren. Kommunikative Anforderungen der Arbeitswelt und Konzepte für den Unterricht und die Lehrerausbildung am Beispiel des Deutschen als Fremdsprache. Diss. Jena: Digitale Bibliothek Thüringen. [Online: http://www.db-thueringen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-13903/Kuhn/Dissertation.pdf, 09.07.12]. 

Lange, Imke; Gogolin, Ingrid (2010): Durchgängige Sprachbildung – Eine Handreichung. Münster: Waxmann.

Leisen, Josef (2010): Handbuch Sprachförderung im Fach. Bonn: Varus.

Norton Peirce, Bonny (1995): Social Identity, Investment and Language Learning. TESOL Quarterly, 29:  1, 9-31.