14. Grazer Tagung DaF/DaZ zum Thema "Sprachstandsfeststellung"

Am 17. und 18. Juni 2011 fand an der Karl-Franzens-Universität Graz die 14. Grazer Tagung Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache statt. 

Im Mittelpunkt der diesjährigen Tagung standen verschiedene Beiträge rund ums Thema Sprachstandsfeststellung mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Eine aussagekräftige Sprachstandsfeststellung, so der gemeinsame Ausgangspunkt der Beiträge, stellt eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür dar, dass Lernende eine gezielte und auf ihre sprachlich-kommunikativen Bedarfe abgestimmte Förderung in der Fremd- oder in der Zweitsprache erhalten. Ein großer Teil der Beiträge auf der Tagung widmete sich dabei der Sprachstandsfeststellung im schulischen und vorschulischen Bereich. Einige der Vorträge und Workshops, die sich auf die Erwachsenenbildung bezogen, lieferten wiederum ausgesprochen interessante Ergebnisse für den berufsbezogenen Deutschunterricht. Die beiden Workshops „Wie viel Normierung braucht die berufliche Kommunikation?“ von Robert Rozinsky und Multiple Choice vs. Info-Transfer von Roswitha Cano und Manfred Schifko wiesen dabei den deutlichsten Bezug zum berufsbezogenen Deutsch respektive der auch in unserer aktuellen Broschüre „Was will diese Frage von mir?“ besprochenen Problematik von Multiple Choice Tests auf. 

So stellte Robert Rozinsky vom Sprachinstitut des Bundesheeres Wien in seinem Workshop „Wie viel Normierung braucht die berufliche Kommunikation?“ zunächst mittels einer Untersuchung vor, welche Sprachprüfungen Menschen mit Migrationshintergrund erfolgreich absolvieren müssen, um zum österreichischen Bundesheer zugelassen zu werden. Diese Prüfungen, vor allem die Diktate, stellen, so kritisierte Rozinsky, eine Benachteiligung für Menschen mit Migrationshintergrund dar. Des Weiteren stehen die darin abgefragten sprachlich-kommunikativen Kompetenzen kaum im Zusammenhang mit den sprachlichen Anforderungen beim Heer. Im Kontext einer Untersuchung der Prüfungen wurde am Sprachinstitut ein Kompetenzmodell für berufstypische Aktivitäten der Soldaten ausgearbeitet, um daraus geeignete Prüfungsformate zu entwickeln: In diesem Rahmen sollen schriftliche Aufgabenstellungen offener gestaltet werden und sich mehr am Arbeitsalltag der Soldaten orientieren (z. B. Stichwortzettel oder Textzusammenfassungen schreiben). Im anschließenden Workshop wurden Bewertungskriterien für diese offenen Aufgaben entwickelt, die weniger normorientiert – also an der formalen Korrektheit der Texte angelehnt - als handlungsorientiert gestaltet sein sollten. Die Teilnehmer_innen des Workshops kamen relativ einhellig zu dem Schluss, dass sich die Erstellung solcher Kriterien ausgesprochen komplex und schwierig gestaltet.

Auch im Workshop von Roswitha Cano und Manfred Schifko, beide tätig im Vorstudienlehrgang der Grazer Universitäten, standen Testverfahren im Mittelpunkt. Cano und Schifko thematisierten anlässlich der geplanten Neukonzeption einer Sprachstandsfeststellungsprüfung zur Studierfähigkeit an Grazer Universitäten Vor- und Nachteile sowie Probleme von Multiple Choice Tests im Vergleich zum so genannten Info-Transfer. Letzterer stellt ein Abfrageformat dar, mit dem gewissermaßen angeleitetes Exzerpieren überprüft wird. Cano und Schifko kamen in ihrem Vortrag zu dem Ergebnis, dass beide Verfahren Fallstricke aufweisen und dennoch für jeweils unterschiedliche Prüfungsziele genutzt werden können: Während der Info-Transfer eher geeignet ist, um selegierendes Lesen, sowie Exzerpieren und das Erstellen von Notizen einzuüben und abzufragen, zielen MC Tests auf intensives Lesen und eignen sich u. U. um verschiedene Lesestile zu trainieren. Beide Abfrageformate wurden im Workshop mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen erprobt. Als deutlich problematisch erwiesen sich bei Multiple Choice Verfahren die Distraktoren: Diese Antworten, die mit dem Ziel entwickelt werden, von der zutreffenden Antwortmöglichkeit abzulenken, lassen häufig noch so viel Interpretationsspielraum, dass sie im Workshop auch von Muttersprachler_innen als richtige Lösung angekreuzt werden. 

Qualitative Sprachstandsfeststellungen für ausländische Studierende stellten Dr. Claudia Buffagni (Universität Siena) und Dr. Daniela Sorrentino (Universität Modena) vor.

Im Vortrag „Sprachstandsfestellung zur Förderung der Schreibfertigkeit fortgeschrittener Studierender“ schlug Claudia Buffagni vor, anhand von Filmrezensionen eine Sprachstandsfestellung bei Studierenden durchzuführen, die vor allem das epistemische Schreiben und das Argumentieren fokussiert. Diskutiert wurde u. a., inwiefern dieses Verfahren auch zur Schreibförderung angewandt werden kann. Ebenfalls auf den universitären Kontext bezogen war Daniela Sorrentinos Vortrag „Textproduktion im akademischen Bereich“: Sorrentino ging in ihrem Vortrag vor allem der Frage nach, wie und inwiefern sich in Schreibaufgaben in akademischen Prüfungsformaten sprachliche Anforderungen akademischen Schreibens und akademischer Textarten spiegeln. Wie bei Roger Rozinsky stellte sich anschließend auch hier die Frage, welche Bewertungskriterien für solche offenen Schreibaufgaben angemessen sein könnten.

In der Gesamtbetrachtung war also das Thema Berufsbezogenes Deutsch in den Vorträgen und Workshops wenig vertreten, aber dennoch lassen sich auch die Erkenntnisse, die aus den Beiträgen zum akademischen Bereich gewonnen wurden, auf berufsbezogene Weiterbildungen anwenden: In Bezug auf die berufsbezogenen Schreibfertigkeiten sollte Handlungsorientierung ein entscheidendes Kriterium in Bezug auf die Erstellung und Bewertung von Aufgaben darstellen. Die Frage der Bedeutung grammatischer Korrektheit könnte dann mit dem Blick auf zukünftige berufliche Anforderrungen kritisch hinterfragt werden. Während diese für den akademischen Kontext eine große Rolle spielen mag, muss sie es nicht in gleichem Maße für Berufe, in denen vor allem schriftlich dokumentiert oder notiert werden soll.

Gleichzeitig wurde deutlich, dass es eine große Schwierigkeit darstellt, aus dem breiten Spektrum an Prüfungsformaten für die jeweiligen Zwecke bedarfsorientiert und differenziert auszuwählen. Auch die Erstellung von Bewertungskriterien für qualitative Formate stellt hohe Anforderungen an die Entwickler_innen derselben. Gleichzeitig lässt sich positiv anmerken, dass in den letzten Jahren eine Menge Bewegung in den Bereich der Sprachstandsfeststellung kommen ist und dass inzwischen etliche handlungsorientierte Formate erprobt werden. Diese versuchen, weniger die Stresstoleranz und Testerfahrenheit der Prüflinge zu testen als deren sprachlich-kommunikative Eignung für ein bestimmtes Handlungsfeld.

besucht und berichtet von Bettina Kleiner