Deutsch B1/B2 in der Pflege

Für Fachkräfte im Anerkennungsverfahren
Melanie Böck, Hans-Heinrich Rohrer
Urban&Fischer (2016)


Das Lehrwerk "Deutsch B1/B2 in der Pflege. Für Fachkräfte im Anerkennungsverfahren" empfiehlt sich für Pflegekräfte, die bereits über Praxiserfahrung und über ein solides B1.2-Niveau verfügen. In der Verlagsbeschreibung wird darauf hingewiesen, dass es parallel zum Arbeitsalltag auf die Prüfung vorbereitet.

Das Buch gliedert sich in 19 Kapitel, die jeweils in vier weitere Unterabschnitte (A-D) aufgeteilt sind. Die Texte werden durch schwarz-weiß Abbildungen, deren Qualität optimierbar ist, ergänzt. Anschaulicheres Material, wie Texte z. B. aus einer Apothekenzeitschrift oder einer Fachzeitschrift hätten nicht geschadet. Die Zeichnungen illustrieren die Handlungsanweisungen sehr gut. Ein thematisches Inhaltsverzeichnis, das die Grammatikthemen nicht auflistet, findet sich am Buchanfang, ein Index am Ende nicht.

Die Texte trainieren das Lese-Sinn-Verständnis überwiegend gut. Die Auswahl ist praxisorientiert, globales und detailliertes Lesen stehen im Fokus. In Kästen am Seitenrand finden sich Tipps, wie man dieses besser bewältigen kann. Mehr Fachtexte sowie eine Anleitung, wie man diese „knacken“ kann, wären hilfreich. Die Grammatikübungen orientieren sich am jeweiligen Thema. So kommt es vor, dass pro Kapitel durchschnittlich fünf verschiedene grammatische Phänomene behandelt werden. Zusätzlich lassen sich andere grammatische Phänomene ohne jegliche Erwähnung oder Kennzeichnung finden, mit denen der/die Lernende allein gelassen wird. Lückentexte, Schreibaufgaben, Hörverständnisübungen, Redemittelkästen, kurze Erklärungen der Grammatik sowie Wortlisten am Kapitelende dienen der Vertiefung. Ebenfalls vorhanden sind phonetische Übungen. Die beiliegende DVD enthält Hörverständnisübungen, inklusive Transkriptionen, Arbeitsblätter und Lösungen.

Der thematische Aufbau orientiere sich an den Anforderungen in Krankenhaus, Pflegeeinrichtung und ambulanter Pflege, heißt es. Soweit es sich um Situationen im Umgang mit erwachsenen, weitestgehend mobilen Patienten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen handelt, ist dieses zutreffend. Der ambulante Bereich ist recht knapp gehalten. Hier wäre es wünschenswert, die Übergaben, Telefonate und Dokumente umfangreicher zu gestalten. Zudem könnten relevante Themen wie Sonden, Katheter und Kanülen, der Umgang mit ihnen sowie eine vollständigere Darstellung der Hilfsmittel erfolgen. Dieses wäre nicht nur für den täglichen Pflegealltag in Reha-Kliniken oder auf Frührehabilitationsstationen, sondern auch für die telc-Pflegeprüfung nicht unerheblich. Die Redemittelkästen fassen die wichtigsten Redemittel zusammen und sind sehr praxisbezogen.

Die Phonetik findet in diesem Lehrwerk ebenfalls Beachtung. Einiges gelingt gut, anderes weniger. Hier ein Beispiel: /ö/ und /ü/ soll bei langen und kurzen betonten Lauten trainiert werden (S. 68).   /ö/ soll über die le-lö angebahnt werden: „Sprechen Sie die Silbe le ganz lang: leee. Bringen Sie dabei die Lippen nach vorne und machen Sie die Lippen spitz und rund. Jetzt sprechen Sie öööö. ... /ü/ Sprechen Sie die Silbe li ganz lang: liiiiiii. Bringen Sie dabei die Lippen nach vorne und machen Sie die Lippen spitz und rund. Jetzt sprechen Sie üüüü.“ (S. 68).  Die Idee, das /e/ über /le/ anzubahnen ist originell, aber wenig zielführend. Einen Labiallaut vor das /e/ zu setzen, um damit ein /ü/ anzubahnen, führt nicht zum gewünschten Ergebnis. Der Test mit Teilnehmenden ergab, dass sie mittels dieser Übung [u/o] und [ü/o] so nicht bilden konnten. Effektiver wäre es , auf „L“ zu verzichten und diese Übung mit guten Fotos oder Abbildungen zu ergänzen. Welche Laute sich zur Anbahnung vor dem /e/ etc. eignen, kann einem entsprechenden Phonetikbuch entnommen werden.

Den grammatikalischen Anforderungen des B1/B2 Niveaus nach GER wird das Lehrwerk nur teilweise gerecht. So werden z. B. die zweiteiligen Konnektoren, S. 22, nicht vollständig behandelt. Nebensätze, Präpositionalobjekte und andere grammatische Besonderheiten werden entweder teilweise oder gar nicht erwähnt. Die in Kapitel 3 eingeführten Modalpartikeln werden gut geübt. Leider sind auch diese zu knapp und zu wenig alltagsbezogen. „Schon“ signalisiere Beruhigung/Zuversicht heißt es dort. Was ist aber mit Äußerungen wie: „Hast du das schon erledigt?“ Ein Verweis auf Intonation und entsprechende Hörübungen wären hilfreich. „Doch“ mache eine Aussage höflicher und betone den Wunsch. Was ist mit „Das habe ich doch getan ...“ und Dopplungen von Modalpartikeln wie „doch schon, doch mal etc.“ Die kontextualisierte grammatische Orientierung führt zu einer Überfrachtung der einzelnen Kapitel. Vertiefungen, Wiederholungen der grammatischen Phänomene wären lohnenswert und fänden auf der sonst gut konzipierten DVD bestimmt noch Platz. So würde auch den Testanforderungen der „Sprachbausteine“ mehr Rechnung getragen.

In Kapitel 5 "Der Patient" sucht man die Patientenkommunikation vergeblich. Dafür gibt es ein Hörverständnis „Gymnastikübung für die Büropause“, anhand dessen Imperative geübt werden sollen. Hier ist die Fachsprache der Sporttrainer verwendet worden, die so nicht auf Station zu hören ist. Diese Art der Anweisung kann den Eindruck erwecken, so würde mit Patienten oder Bewohnern auch gesprochen werden „Beugen Sie die Arme ...“, (S. 44), warum „die Arme“ im Fettdruck erscheint und nicht der Imperativ, ist eine Frage wert.

Dem Anspruch die nötige Sprachkompetenz, die für die tägliche Kommunikation mit Patienten und deren Angehörigen, Kollegen, Ärzten und anderen Berufsgruppen benötigt wird, wird das Buch nur teilweise gerecht. Für die Kommunikation mit Angehörigen, Kollegen und Ärzten gelingt dieses überwiegend gut, wenn auch nicht vollständig. Bei der Kommunikation mit Patienten und vice versa ist dieses leider nicht der Fall. Die Inhalte sind nach Pflegesituationen übersichtlich und nachvollziehbar gegliedert und werden weitestgehend vollständig behandelt. Themen wie z. B. Pflegestufen, Interkulturelle Pflege fehlen leider. Die neuen Anforderungen an die Dokumentation, z. B. Wegfall des Pflegeberichtes, sind hier noch nicht berücksichtigt.

Dieses Buch eignet sich für Lernende, die bei ihrem Lernprozess begleitet werden oder bereits fundierte Kenntnisse festigen und erweitern möchten. Dieses Buch ist als ergänzendes Lehrwerk zur Vorbereitung auf die Prüfung und den Praxisalltag zu empfehlen, jedoch nicht als kurstragendes Lehrwerk. Das Lese-Sinn-Verständnis und ein umfangreicher Wortschatz helfen bei der Prüfungsvorbereitung. Für den Teil Hörverstehen, Lesen Teil 3, die Sprachbausteine, Schreiben ist es ratsam, weitere Lehrwerke sowie Audio-und Videomaterial zu benutzen. Ob das Lernen hiermit Freude bereitet und zu Sicherheit im Sprachgebrauch führt, möge die Fachkraft im Anerkennungsverfahren selbst entscheiden. 

Hamburg, im Januar 2016

Rezensentin: Heike Rauch