Vom 30. September bis zum 3. Oktober 2015 fand an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg der 26. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF) statt. In zwölf Sektionen und in neu geschaffenen Formaten wie „Streitgespräch“ oder „Freie Veranstaltungsformate“ wurden die Themen „Sprachen lernen“, „Geschichte des Lernens“ und „Lehr- und Lernerfolg“ ausgiebig vorgestellt und diskutiert. Die Mehrheit der Vorträge thematisierten das Fremdsprachenlernen im schulischen Bereich (Corinna Koch, Renata Rybarczyk) und die Lehrerbildung und –fortbildung im In- und Ausland (Claudia Frevel, Penny Ur). Verschiedene Ansätze wie Handlungsorientierung (Carola Surkamp) oder interkomprehensiv basierte Methoden (Frank Schöpp) standen auch im Fokus der Diskussionen.
Den Schwerpunkt der Sektion 10 „Curriculum" bildeten die Themen curriculare Mehrsprachigkeit, Konzept der Gesamtsprachencurricula und bilingualer Sachfachunterricht. Das von Hufeisen vorgeschlagene Gesamtsprachencurriculum beinhaltet mehr- und tertiärsprachige Ansätze in Kombination mit fächerübergreifenden Projekten. In diesem Curriculum werden mindestens drei Fremdsprachen vernetzt unterrichtet, wobei individuelle Mehrsprachigkeit, die z.B. durch theaterpädagogische Projekte (dazu der Vortrag von Gisela Fasse) realisiert wird, eine zentrale Rolle im Curriculum einnimmt.
Es wurden fernerhin Konzepte und Modelle vorgestellt, die in der Praxis pilotiert und evaluiert worden sind wurden. Das von Monika Budde vorgestellte Projekt "Language Awareness - Mehrsprachige Fähigkeiten wahrnehmen" (LAWA), welches noch bis März 2016 läuft, untersucht die Bedeutung von Sprachlernerfahrungen im DaZ-Erwerb von Seiteneinsteigern in der Sekundarstufe 1, wobei ein besonderes Augenmerk auf den Bereich Textkompetenz gelegt wurde. Zentrale Frage der Pilotstudie war, ob und wie Seiteneinsteiger ihre sprachlernhistorisch erworbenen Erfahrungen und vielfältigen Kenntnisse bei der Textarbeit im DaZ-Kontext nutzten. Ihre Untersuchungen zeigten, dass alle Schüler einerseits bereits über Erfahrungen im Zusammenfassen von Lehrbuchtexten verfügten, andererseits jedoch sehr unterschiedlich z.B. das Markieren von zentralen Textstellen als Erschließungsverfahren einsetzten. In den leitfadengestützten Interviews, die im Anschluss an die Textbearbeitung durchgeführt wurden, gaben die Probanden keine besonders differenzierten Antworten über ihre Vorgehensweisen bsplw. z.B. bei der Erschließung der unbekannten Wörter aus dem Kontext, weil sie und die Interviewer „keine gemeinsame, ausreichend entwickelte Sprache“ hatten. Unklar blieb in diesem Zusammenhang auch, wie adaptiv die von den Probanden benutzten Verfahren im Hinblick auf DaZ eigentlich waren. Dies ist jedoch eine wichtige Frage, die geklärt werden muss, bevor später bestimmt werden kann, welche bereits vorhandenen Textkompetenzen bei einer möglichen Curriculumsentwicklung und Unterrichtsgestaltung berücksichtigt werden sollten.
Vor dem Hintergrund des neuen Arbeitsschwerpunktes der Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch „Curriculumsentwicklung für allgemeinsprachliche DaZ-Kurse: Niveaustufen B2-C2“ stellt sich die Frage, ob und wie die Ergebnisse dieser Pilotstudie für erwachsene Lerner nützlich sein könnten. Auch beim Spracherwerb im Erwachsenenalter gehört die Textkompetenz zu den zentralen Kompetenzen. Verfahren wie Unterstreichungen und Bedeutungserschließung aus dem Kontext sind wichtige (Selbst)lerntechniken, die bei der Förderung von Lernautonomie im Zweitsprachenerwerb eine noch wichtigere Rolle spielen.
Dr. Olga Haber