Start >

„Dem Anleiter wird´s zu bunt“: Einblicke in den Kurs AdA - Ausbildung der Ausbilder – Kurs für MigrantInnen

Unsere Gesprächspartnerin Franziska Voges ist langjährige DaZ- Sprachtrainerin und Fortbildnerin. U.a. ist sie gegenwärtig als Mitarbeiterin im Projekt „Vernetzung Flucht Migration Hamburg“ bei Migration und Internationale Zusammenarbeit bei passage g GmbH tätig. Parallel dazu hat sie als DaZ-Co-Trainerin im Rahmen des vom Bundesinstitut für Berufsbildung geförderten Qualifizierungslehrgang "Ausbildung der Ausbilder (AdA) für zukünftige Ausbilderinnen und Ausbilder mit Migrationshintergrund“ gearbeitet. Durchgeführt wird der Kurs von der Handwerkskammer Hamburg in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Migranten (ASM). Der Lehrgang im Umfang von 128 Stunden war für die Teilnehmenden kostenlos und fand zwei Mal wöchentlich abends sowie 6 Mal am Wochenende auf dem Elbcampus der Handwerkskammer Hamburg statt.

 

(Der nächste Kurs beginnt am 1. September: Hier können Sie die Details des Seminarangebots auf der Seite der Handwerkskammer Hamburg einsehen.)

  • An wen richtete sich das Angebot und was war das Besondere an diesem Lehrgang? 

 

Die Zielgruppe sind InhaberInnen und MitarbeiterInnen kleiner migrantischer Betriebe, überwiegend Ein- Mann bzw. Ein- Frau Betriebe. Darunter sind z.B ein Friseursalon, ein Kosmetiksalon, eine Schneiderei und auch eine Goldschmiede, die in Zukunft selbst ausbilden wollen. Bis auf drei Ausnahmen verfügten alle Teilnehmenden über eine hohe mündliche und ausreichend schriftliche Sprachkompetenz Deutsch. Erprobt wurde für diesen Lehrgang erstmalig eine vorgeschaltete Sensibilisierung der FachdozentInnen. Im Rahmen einer Schulung  wurden Methoden und Techniken zur sprachaufmerksamen, d. h. auf die spezifischen Bedürfnisse und Voraussetzungen von Deutsch-ZweitsprachlerInnen eingehende, Verwendung der Unterrichts- und Fachsprache erprobt und trainiert. Auch die Prüfenden, die am Ende die Ausbildereignungsprüfung für die Teilnehmenden abnehmen werden, sollen eine entsprechende Schulung erhalten. Zur Auswahl der Teilnehmenden wurde ein spezieller Einstufungstest zur Erfassung der Leseverstehenskompetenz entwickelt.

  • Welche Aufgaben und Rollen hattest du als DaZ-Co-Trainerin?

 

Von den 128 Stunden Gesamtkurs waren 40 Stunden Teamteaching mit mir als DaZ-Lehrkraft vorgesehen. Einmal pro Woche war ich also mit im Unterricht und habe beispielsweise sprachliche Unterstützung in der Gruppenarbeit beim Knacken von komplizierten syntaktischen Konstruktionen geleistet. Besonders die Gesetzestexte, die bei der Ausbildereignungsprüfung eine wichtige Rolle spielen, enthalten verschachtelte Sätze wie zum Beispiel diesen: „Die Berufsausbildung hat die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in einem übergeordneten Ausbildungsgang zu vermitteln (BBiG § 1).“

 

Insgesamt hatte ich noch zusätzlich 8 Stunden zur Erstellung bzw. Überarbeitung von Lehr, Lern- und Testmaterialien sowie für die sprachliche Überarbeitung eines Prüfungsbogens zur Verfügung.

Um die Prüfungsfragen zugänglicher und verständlicher zu machen, habe ich auch Prüfungsfragen sprachlich überarbeitet, d.h. der Kurs hatte von Anfang an den Anspruch , einen Lernprozess für alle Beteiligten zu initiieren, der dazu führen soll, dass sprachlich bedingte Hürden soweit wie möglich abgebaut werden. Künftig wird also ein sprachliches Ungetüm wie beispielsweise diese Frage aus einem Modelltest „Welche Folgen für die Fortzahlung der Vergütung hat es, wenn ein Auszubildender in seiner Freizeit aus Trunkenheit einen Motorradunfall verursacht, in dessen Folge er lange Zeit krankgeschrieben ist?“ kein unnötiges Kopfzerbrechen mehr bereiten.

 

Hilfreich für die Teilnehmenden hat sich auch die Erstellung von Lernmaterialien erwiesen, beispielsweise habe ich fortlaufend und begleitend zum Fachunterricht eine Lernkartei mit sprachlich einfachen Definitionen neu eingeführter Fachbegriffe („Handlungskompetenz“, „autoritärer Führungsstil“…) entwickelt, mit der die Lernenden den Stoff wiederholen und aufarbeiten konnten. 

  • Inwiefern hat sich die Sensibilisierung der FachdozentInnen im Unterricht deiner Erfahrung nach ausgewirkt? 

 

Die FachdozentInnen waren alle sehr offen für das Thema und dankbar für die Anregungen, die sie dazu erhalten haben. Im Kurs wurde das vor allem dadurch sichtbar, dass die DozentInnen häufig mehrere sprachliche Varianten einer Erklärung oder Definition angeboten haben und das Verständnis häufiger durch Nachfragen abgesichert wurde.

Es gab allerdings auch eine Form vermeintlich besonders teilnehmergerechter, verständlicher Unterrichtsprache, nämlich die häufige Verwendung idiomatischer Wendungen, die bei vielen Teilnehmenden eher Missverständnisse produzierte: Wenn es dem Ausbilder, nachdem die Auszubildenden in der Werkstatt „eine Riesenferkelei angerichtet“ haben, anschließend „zu bunt wird“, taucht schon einmal die berechtigte Frage auf, ob das ein Malereibetrieb war „Eine Riesenferkelei anrichten“, noch grün hinter den Ohren sein“, „dem Anleiter wird´s zu bunt“  stellten plötzlich Verständnisbarrieren dar, die dann zu erläutern waren.

  • Wie ist das Feedback der Teilnehmer? 

 

Meines Erachtens insgesamt sehr positiv. Allerdings ist die Endauswertung des Kurses noch nicht ganz abgeschlossen. 

  • Was ist weiter geplant?

 

Es soll, wie eben schon erwähnt, eine Auswertung der Maßnahme mit Zwischen- und Abschlussauswertung mit Teilnehmendenbefragung u.a. zum Unterstützungsangebot stattfinden. Die Schulung von PrüferInnen an der HWK ist geplant und es wird einen zweiten Durchgang in der 2. Hälfte 2010 geben.

  • Was ist dein Fazit zu dem Kurs?

 

Zuerst einmal ein sehr positives: Das sich alle an dem Kurs Beteiligten, d.h. sowohl Teilnehmende, KurskoordinatorInnen als auch DozentInnen sehr offen für die zusätzlichen Aufgaben und Herausforderungen dieser Pilotmaßnahme waren.

 

Ein weiteres Ergebnis war, dass Lernberatung (z.B. zum Thema Kursabbruch) stark kontextorientiert verlaufen sollte, d.h. welchen (familiären) Hintergrund und Unterstützung hat der/die potentielle Ausbildende, um seine/ihre sprachlichen Defizite auszugleichen. In welchem Verhältnis steht er/sie zum potentiellen Auszubildenden. In einem Fall haben wir nämlich zum Verbleib im Kurs geraten, da der Teilnehmer seinen Sohn ausbilden wollte und starken (auch) sprachlichen Rückhalt von seiner Frau, die sich zeitgleich mit ihm auf die Ausbildereignungsprüfung vorbereitete in dem kleinen Familienbetrieb bekommen hat. In dem anderen Fall haben wir zum Kursabbruch geraten, da die Teilnehmerin als Alleinerziehende und Betriebsinhaberin in einer sehr belasteten Lebenslage nicht über die zusätzlichen Kraftreserven verfügte, um die sprachlichen Anforderungen einer schwierigen Prüfung und der anschließenden Ausbildung zu bestehen.