"Die generalistische Pflegefamilie ist bunt."

Pflegende in Seniorenheimen benötigen für ihre tägliche Arbeit umfangreiches Fachwissen in der Krankenpflege. Und Krankenpfleger*innen haben oftmals mit älteren Menschen oder Kindern zu tun. Bis Ende 2019 waren die entsprechenden Ausbildungen scharf getrennt, doch seit Januar 2020 gibt es eine generalistisch ausgelegte Ausbildung, mit der einheitliche Standards eingeführt wurden. Die neue Pflegefachausbildung befähigt Auszubildende zur Pflege von Menschen aller Altersstufen in allen Versorgungsbereichen. Sie birgt mehr Praxisbezug und wird mit einem Ausbildungsgehalt vergütet.

Wir haben Brigitte Hirsch, stellvertretende Schulleiterin der Beruflichen Schule Burgstraße BS12 in Hamburg, nach den Auswirkungen und Veränderungen durch die Einführung der neuen Pflegefachausbildung insbesondere aus der Perspektive von Auszubildenden mit anderen Erstsprachen als Deutsch gefragt.

 

Was sind die wichtigsten Veränderungen, die in der fachschulischen Pflegeausbildung seit Anfang 2020 zu bewältigen sind?

 

Die neue Ausbildung befähigt zur kompetenten Pflege von Personen in allen Lebensaltern. Für uns als bisherige Altenpflegeschule bedeutet das eine neue Ära. Es war neu und aufregend, z.B. den Praxisraum für die Pflege von Säuglingen und Kindern herzurichten. Alle Ausbildungsinhalte sind in Lernfelder gegliedert, die die Inhalte aus den bislang getrennten Berufen kompetenzorientiert neu strukturieren. Der neue Bildungsplan wird in hamburgweiten Arbeitsgruppen und unter Beteiligung der Universität Bremen erarbeitet.

Die Förderung der kommunikativen Kompetenzen spielt eine wichtige Rolle und ist eine große Herausforderung für Auszubildende mit einer anderen Muttersprache als Deutsch, selbst wenn sie mit einem B2 Zertifikat die Ausbildung beginnen. Für eine Vielzahl von Vorgängen müssen mindestens drei verschiedene Formulierungen gelernt werden (Bildungssprache, Umgangssprache, und um alle Patienten zu verstehen auch Vulgärsprache und Kindersprache).

Die Auszubildenden sind auch in der Praxis in den verschiedenen Bereichen tätig und wechseln aus dem Betrieb fünfmal in Praktika in anderen Bereichen. Die Organisation stellt die Betriebe und uns vor die Aufgabe, alle Praktika im Ausbildungsplan sicherzustellen und den Unterricht damit zu synchronisieren. Das gelingt nur, wenn die erforderlichen Kompetenzen und Skills im fachpraktischen Unterricht kontinuierlich und vielfältig gefördert werden. Wir nutzen dafür nicht nur angepasste Fachräume und Demonstrationspuppen, sondern zunehmend auch digitale und virtuelle Medien. Die neue Ausbildung wird im Verbund der Hamburger Pflegeschulen durchgeführt und finanziert. Weitere Infos findet man auf das-ist-pflege.de .

 

Wie verfahren Sie in Bezug auf zugewanderte Schülerinnen und Schüler, die schon fachliche Kompetenzen und Qualifikationen mitbringen?

 

Wir freuen uns, wenn zugewanderte Schüler*innen bereits über Erfahrungen verfügen. Sie können diese reflektieren und in den Unterricht einbringen. Viele von ihnen entscheiden sich für die dreijährige Ausbildung, wenn ihre Qualifikationen formal nicht anerkannt werden können. So können sie die fachlichen und die sprachlichen Herausforderungen gleichzeitig meistern.

Eine Besonderheit unserer Schule – bisher schon für die Altenpflege - ist die auf zwei Jahre verkürzte Ausbildung, für die wir ein eigenes Curriculum entwickelt haben. Dafür können sich Bewerber*innen mit einem Abschluss als Gesundheits- und Pflegeassistent*in (GPA) oder als Pflegeassistentin mit Schwerpunkt Haus- und Familienpflege (HuF) melden. Beide Berufe werden ebenfalls an unserer Schule ausgebildet und eröffnen zugewanderten Schüler*innen mit dem ersten Schulabschluss oder auch ohne Abschluss den Weg in die Pflege.

 

Wie unterstützen Sie Schülerinnen und Schüler, die nicht Deutsch als Herkunftssprache sprechen?

 

Im Berufsschulunterricht werden bedeutsame Lernsituationen und Inhalte bearbeitet, die die Auszubildenden verbinden, zu denen sie sich äußern wollen und mit denen sie sich auseinandersetzen wollen. Wir müssen also immer gleichzeitig fachliche Inhalte und kommunikative Mittel bewegen und arbeiten schon länger und seit 2015 noch intensiver am sprachsensiblen Fachunterricht.

Seit 2018 bekommen Schüler*innen, die erst kürzer als 5 Jahre in Deutschland sind und deren Sprachniveau unter B2 des europäischen Referenzrahmens liegt, in der Berufsschule integrative und additive fachbezogene Sprachförderung. Auch dabei haben sich nicht erst mit Corona digitale Möglichkeiten der individuellen Förderung entwickelt. Die Sprachförderlehrer*innen halten Videokonferenzen mit Kleingruppen ab und die Schüler*innen lernen mit diversen Apps und digitalen Materialien.

Das gemeinsame Ziel ist ein guter Abschluss der Ausbildung und ein fachlich akzentuiertes Sprachniveau von mindestens B2. Da jede Person von einem individuellen Punkt startet, braucht es auch personenbezogene Angebote wie z.B. ein Sprachcoaching oder eine Analyse der vorhandenen sprachlichen Mittel für berufstypische Situationen, Pflegeplanung, Präsentationen in der Schule oder die schriftliche Abschlussprüfung.

In die neue generalistische Pflegeausbildung fließen unsere bisherigen Erfahrungen ein, so dass der neue anspruchsvolle Beruf für zugewanderte Bewerber*innen interessant ist und die Ausbildung auch in angemessener Zeit abgeschlossen werden kann. Die generalistische Pflegefamilie ist bunt und wird weiter wachsen.

Vielen herzlichen Dank, Brigitte Hirsch, für diesen lebendigen Einblick in Ihre aktuelle Ausbildungspraxis!